Moment, wir müssen nachdenken.
Eigentlich sollten wir hier was schreiben. Mit Witz und so.
Aber der verdammte Kopf. Ist ja alles drin, sonst. Aber heute.
Irgendwie dumpf. Also mal ganz von vorn. Zum Schreibtisch kriechen,
an der Kante hochziehen, Computer einschalten. Mein Gott, ist
das hell. Zusammenreissen. Wie war das jetzt, diese Woche? Alles
begann mit einem Schwanken und Wackeln. Eine Wellenbewegung
in ganz Deutschland, die auf der Lichter-Lafer-gute-Laune-Skala
Stärke Zwölf erreichte. In Küstennähe traten Meere über die
Ufer, im Süden neigten sich Hochhäuser und Alpengipfel. Menschen
drehten sich um sich selbst, Nächte wurden lang und länger,
Partnerschaften und Weltbilder gerieten ins Wanken. Gewissheiten
und gute Vorsätze zerfielen wie alte Monarchien, Gehirne schwappten
im hochprzentigen Saft hin und her.
Epizentren
des Bebens waren die Karnevalshochburgen, wo sich wildfremde
Menschen unterhakten und unter den Trommelschlägen und Stabreimen
tollwütiger Vorbeter in eine Links-rechts-Bewegung versetzen
liessen. Ja, da war wieder was richtig los. Die deutsche Kultur
schüttelte ihr Kölschfass aus: "Ich hab drei Haare auf
der Brust" und "Kölsche Mädchen könne bütze"
und "Buenos Dias Mathias". Menschen setzten sich blinkende
Hoeness-Birnen auf und zogen als Steuerbetrüger durch die Gassen,
als BKA-Männer (nix höre, nix sehe, aber gut druff) und als
Krimtataren und Putingeschnetzeltes essende Dom-Kosaken. Was
ham we jelacht.

Das
alles fusst natürlich in einer uralten Tradition. Einst huldigte
man einem Narrenbischof in Eselsgestalt. Diese Verkleidung ist
in Zeiten von "DSDS" und "Dschungelcamp"
überflüssig geworden. Skeptiker prophezeiten angesichts des
ganzjährigen Rauschs, in dem sich die Deutschen durch Lanz und
Larissa versetzen lassen, dem klassischen Karneval das baldige
Aus. Weit gefehlt. Fasnacht und Karneval gewinnen in Zeiten
des Klimawandels eine neue Dynamik. Milde Winter, warmes Bier,
Kostüme, deren Stoffanteil dem eines Brillenputztuchs entspricht
- diese Melange aus Wollust und Leutseligkeit verdichtete sich
in dieser Woche wieder zu einer Gute-Laune-Lawine, die sich
unter Ausstoss von Lauten wie "Heidewitzka" und "Ritsch-Ratsch-Botz",
"Bütz und Hagel" und Versen wie "Su lang me noch
am Lääve sin" und "Drink doch eene met" von den
Karnevalhochburgen aus durchs Land wälzte. Experten wissen:
Wo Deutschland hinlacht, wächst kein Gras mehr.
Natürlich
werden uns nachwachsende Generationen dereinst die Frage stellen,
warum habt ihr mitgemacht? Ja was hätten wir denn tun sollen?
Natürlich hat man sich gewundert, als die Nachbarn im Batman-Kostüm
zur Arbeit gingen. Als die Kinder in Froschkostüme gezwängt
wurden. Aber uns ging's ja nix an. Und: Nicht mitmachen ist
ja auch keine Lösung. Man ist ja Mensch. Und so jung kommen
wir nicht mehr ... und einmal ist keinmal ... und hoch die ...
Wo waren wir? Na, auch egal.
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