Es war einmal eine Königin,
die kam mit dem Geld ihrer Untertanen nicht aus. Daraufhin liess
sie überall im Land verkünden, dass Reiche künftig noch stärker
besteuert werden müssten. Dazu zählten auch Märchen-Reiche.
Die Behörden taten, wie ihnen befohlen. Um die Märchen-Reichen
kümmerte sich dabei die sogenannte Minijob-Zentrale. Aufgabe
dieser Einrichtung war es, auch die Untertanen mit nur geringfügigen
Beschäftigungen zur Kasse zu bitten, also sich um die 450-Taler-Jobs
zu kümmern.
Bei den Märchen tat sich
für die Minijob-Zentrale ein Reich voller neuer Möglichkeiten
auf. Schwarzarbeit war hier gang und gäbe. Als Erstes gab es
eine Razzia bei Schneewittchen. Sie war offenbar von den sieben
Zwergen als Haushaltshilfe angestellt worden, ohne dass dabei
die fälligen Abgaben an Staat und Rentenkasse entrichtet worden
wären. Hinzu kam, dass die sieben Zwerge tagsüber nach Erz gruben,
was die Ermittler Blut lecken liess: Zwerge, die arbeiten -
wenn das mal kein meldepflichtiger Minijob ist! Bei den Vernehmungen
räumten die Zwerge des Weiteren ein, ihr Erspartes "hinter
den sieben Bergen" zu verstecken - ein deutlicher Hinweis
auf ein Schwarzgeld-Konto in der Schweiz.
Frau
Holle, dessen Weste bisher dahin schneeweiss gewesen war, geriet
ebenso in das Visier der Fahnder. Wie im ganzen Märchen-Reich
bekannt, hatte Frau Holle zwei weibliche Haushaltshilfen zu
Gast, die ihr die Betten schüttelten. Dies wäre meldepflichtig
gewesen! Das fleissige der beiden Mädchen wurde zudem am Ende
mit Gold überschüttet. Auch wenn dieses Einkommen etwas überraschend
kam, so hätte es doch versteuert gehört.

Nachträglich
nicht mehr zu belangen war leider Dornröschen, obwohl der Königin
durch den hundertjährigen Schlaf der Dame eine erkleckliche
Summe an Sozialabgaben und Steuern entging. Auch dass Dornröschen
nach dem Aufwachen gleich den erstbesten Prinzen heiratete und
somit fortan vom Ehegattensplitting profitierte, war zwar ein
moralisch fragwürdiges, letztlich aber legitimes Manöver, um
Steuern zu sparen.
Rotkäppchen hingegen
bekam bei seinem Bemühen, durch eine Selbstanzeige noch Straffreiheit
zu erwirken, einen Korb. Auch wenn man dem Mädchen zugutehalten
muss, dass es den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sah, hätte
es doch seine Pflege-Tätigkeit für die Grossmutter anmelden
müssen. Dann wäre sie auch unfallversichert gewesen und hätte
nach dem Zwischenfall mit dem bösen Wolf eine Therapie bekommen.
Als
die Ermittler der Königin meldeten, welche Sozialbetrüger sie
im Märchen-Reich alle überführen konnten, befahl die Königin,
Schneewittchen und den Rest der Bande an den Pranger zu stellen.
In Zusammenarbeit mit einem Puppentheater wurden Werbespots
gedreht, die alle Untertanen eindringlich ermahnen sollten,
immer und überall an ihre Zahlungsverpflichtungen gegenüber
der Königin zu denken. Und wenn die Untertanen nicht gestorben
sind, dann zahlen sie noch heute.
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