Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (02. Februar 2014)
 
Frauen für Franz
 

   Ein Zimmer mit Bett und Herdplatte. Draussen alpines Szenario. Die Sonne blinzelt durch die schlierigen Fenster. Ein unrasierter Mann tastet sich aus dem Bett. "Wieder Sonne", murmelt er. "Verflucht." Und auf dem Handy nur alte Nachrichten. Er kämmt sein Brusthaar und bleckt die Zähne zu jenem Hansi-Hinterseer-Lächeln, das Gletscher zum Schmelzen bringt. Man muss ja in Form bleiben. Draussen schwimmen Zigarettenkippen im Pfützenwasser, der Postbote trägt ein Poloshirt, die Sportgeschäfte winken mit entfesselten Sonderangeboten. Wo in normalen Wintern Klangfetzen des Aprés-Ski-Genres wie akustische Ohrfeigen durch die Gassen dröhnen, wo die Gäste willig die staccatohaften Kommandos "Skifoan", "Dirndl ausziehen!", "Saufen!" befolgen, herrscht Stille. Nur das Raunen der Beschneiungssturmgeschütze weht herüber und erinnert ältere Gamshaarträger an den Ersten Weltkrieg.



   Unser Zimmerbewohner ist Skilehrer, gehört also zum Ökosystem des Alpenraums wie Edelweiss und Sonnenöl. Der milde Winter stürzt ihn in eine tiefe Depression. Kaum Schnee - das bedeutet: Keine Skikurse, keine Trinkgelder, kein Spoass, kein Konsum von Alpin-Alkoholika wie Willy, Bully, Wurschti, Brülli, Hallodri und vor allem keine Frauen. Die machen sich normalerweise alljährlich zu Tausenden auf die beschwerliche Reise nach Ischgl, Serfaus, Lech oder St. Moritz, taumeln in den Alpin-Spa-Bereich, wo sie sich heilbringende Achtsamkeitsedelsteine auf die Problemzonen legen lassen, um dann auf dem Weg zur Bar in die Arme eines Skilehrers zu fallen. Ihr Fernbleiben hat dramatische Folgen. Experten schätzen, dass die Menge an Kurznachrichten des Inhalts "Dankschön, Berti, du warst super!" - "Fühle mich endlich wieder als Frau." - "Meine Schneekanone" - "Ruf mich nie wieder auf dem Handy an, du Idiot!" im Winter etwa eine Milliarde Gigabyte erreicht. Jetzt ist das Netz so still wie eine ausgetrocknete Langlaufloipe. Damit nicht genug: Laut Statistik kommt jeder Skilehrer während der Saison 233-mal in engen Kontakt zu einer Frau. Das ist für den alpinen Wirtschaftsraum von existenzieller Bedeutung, denn dabei werden nicht nur Zärtlichkeiten, sondern Trinkgelder in Höhe von mehreren Milliarden Euro ausgetauscht.



   Die Politik reagiert und hat die Initiative "Drei F" (Frauen für Franz) ins Leben gerufen. Man hofft, damit die Saison noch retten zu können. Frauen, die freiwillig in die Skigebiete fahren, bekommen ein Dirndl mit zwei passenden Germknödeln umsonst, vier Gläser Schampus und einen Skilehrer, der nicht Franz heissen muss, aber nach der Ayurveda-Massage 40 Minuten für sie Zeit hat. Die Initiative wird aus EU-Mitteln finanziert. Die jüngsten zaghaften Schneefälle schüren die Hoffnung auf einen versöhnlichen erotischen Saison-Schluss. Aber die Zeit wird knapp. Bis März kann das Blatt noch gewendet werden. Danach kehren die letzten Skilehrer in die Reservate zu ihren Einzelbetten zurück, wo sie bis Herbst durchgefüttert werden.

 

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