Ein Zimmer mit Bett und
Herdplatte. Draussen alpines Szenario. Die Sonne blinzelt durch
die schlierigen Fenster. Ein unrasierter Mann tastet sich aus
dem Bett. "Wieder Sonne", murmelt er. "Verflucht."
Und auf dem Handy nur alte Nachrichten. Er kämmt sein Brusthaar
und bleckt die Zähne zu jenem Hansi-Hinterseer-Lächeln, das
Gletscher zum Schmelzen bringt. Man muss ja in Form bleiben.
Draussen schwimmen Zigarettenkippen im Pfützenwasser, der Postbote
trägt ein Poloshirt, die Sportgeschäfte winken mit entfesselten
Sonderangeboten. Wo in normalen Wintern Klangfetzen des Aprés-Ski-Genres
wie akustische Ohrfeigen durch die Gassen dröhnen, wo die Gäste
willig die staccatohaften Kommandos "Skifoan", "Dirndl
ausziehen!", "Saufen!" befolgen, herrscht Stille.
Nur das Raunen der Beschneiungssturmgeschütze weht herüber und
erinnert ältere Gamshaarträger an den Ersten Weltkrieg.

Unser
Zimmerbewohner ist Skilehrer, gehört also zum Ökosystem des
Alpenraums wie Edelweiss und Sonnenöl. Der milde Winter stürzt
ihn in eine tiefe Depression. Kaum Schnee - das bedeutet: Keine
Skikurse, keine Trinkgelder, kein Spoass, kein Konsum von Alpin-Alkoholika
wie Willy, Bully, Wurschti, Brülli, Hallodri und vor allem keine
Frauen. Die machen sich normalerweise alljährlich zu Tausenden
auf die beschwerliche Reise nach Ischgl, Serfaus, Lech oder
St. Moritz, taumeln in den Alpin-Spa-Bereich, wo sie sich heilbringende
Achtsamkeitsedelsteine auf die Problemzonen legen lassen, um
dann auf dem Weg zur Bar in die Arme eines Skilehrers zu fallen.
Ihr Fernbleiben hat dramatische Folgen. Experten schätzen, dass
die Menge an Kurznachrichten des Inhalts "Dankschön, Berti,
du warst super!" - "Fühle mich endlich wieder als
Frau." - "Meine Schneekanone" - "Ruf mich
nie wieder auf dem Handy an, du Idiot!" im Winter etwa
eine Milliarde Gigabyte erreicht. Jetzt ist das Netz so still
wie eine ausgetrocknete Langlaufloipe. Damit nicht genug: Laut
Statistik kommt jeder Skilehrer während der Saison 233-mal in
engen Kontakt zu einer Frau. Das ist für den alpinen Wirtschaftsraum
von existenzieller Bedeutung, denn dabei werden nicht nur Zärtlichkeiten,
sondern Trinkgelder in Höhe von mehreren Milliarden Euro ausgetauscht.

Die
Politik reagiert und hat die Initiative "Drei F" (Frauen
für Franz) ins Leben gerufen. Man hofft, damit die Saison noch
retten zu können. Frauen, die freiwillig in die Skigebiete fahren,
bekommen ein Dirndl mit zwei passenden Germknödeln umsonst,
vier Gläser Schampus und einen Skilehrer, der nicht Franz heissen
muss, aber nach der Ayurveda-Massage 40 Minuten für sie Zeit
hat. Die Initiative wird aus EU-Mitteln finanziert. Die jüngsten
zaghaften Schneefälle schüren die Hoffnung auf einen versöhnlichen
erotischen Saison-Schluss. Aber die Zeit wird knapp. Bis März
kann das Blatt noch gewendet werden. Danach kehren die letzten
Skilehrer in die Reservate zu ihren Einzelbetten zurück, wo
sie bis Herbst durchgefüttert werden.
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