Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (26. Januar 2014)
 
Der Himmel ist gelb
 

   Das Leben ist wahrlich kein Paradies. Die grausamen Bilder, die uns diese Tage aus Kiew, Syrien und von den Pariser Haute-Couture-Schauen erreichen, sind einmal mehr erschütternd.

   Umso wichtiger ist es, der Depression zu trotzen und sich an den erhebenden Momenten des Alltags zu erfreuen. Man sucht sein Seelenheil im Glauben. Zu den seltenen metapsychischen Höhepunkten des einfachen Bürgers gehörten in diesem Lande seit jeher die Empfängnis eines jungfräulichen Ikea-Katalogs, die erste Vertreibung aus dem RTL-Dschungelcamp sowie die Seligsprechung des VW-Golfs mit Hilfe des "Gelben Engels".



   Was nämlich den Indern im Strassenverkehr die Kuh, ist dem gottesfürchtigen Deutschen der Golf: Ein unantastbares Heiligtum. Wird der Öffentlichkeit ein neuer Golf präsentiert, dessen Schminkspiegel drei Millimeter breiter ist als zuvor, liegen sich die Menschen in den Armen, fällt Weihnachten auf Ostern, werden Babys auf die Sondermodellnamen "Cup" und "Match" getauft. Schon bei den alten Germanen war der Golf-GTI-Kult ausgeprägt, in Gräbern unter nordrhein-westfälischen Autowaschanlagen wurden zylindrische Schädel mit wenig Hubraum, monströse Fuchsschwänze, phallische Schaltknüppel mit aufgesteckten Golfbällen sowie völlig aussaglose Pannenstatistiken gefunden.

   Was nur wenige im heidnischen Ausland wissen: In einer archaischen und monotheistischen Autoreligion wie der unsrigen ist der Schutz des Golf bis in die heutige Zeit ein wichtiges Element der gelebten Geisteskultur. Zahllose deutsche Autozeitschriften widmen sich liebevoll der Hege und Aufzucht dieses deutschen Prachtexemplars und Anzeigebullen. Die reine Lehre verbietet den Verzehr oder das Töten eines sinnlos umherirrenden Golf. Im Unterschied zu den marodierenden Import-Rindviechern auf vier Rädern aus Frankreich, Italien und Rumänien, die als minderwertig gelten und zur Jagd auf Autobahnen freigegeben sind.



   Betrüblich ist allerdings die Tatsache, dass sich immer weniger Menschen an der Engelswahl zum Lieblingsheiligen beteiligen wollen. Der Vertrauensverlust der Clubkirche schlägt jetzt auch auf den harten Kern ihrer orthodoxen Anhänger durch. Die Geschäftsstellen leeren sich. Spektakuläre Selbstgeisselungen (In Haltebuchten, mit Warnweste) und Verbrennungen von dottergelben Seidenkrawatten sind an der Tagesordnung. Gegen die allgemeine Verweltlichung und den Abfall vom Glauben hilft kein Staumelder - diese traurigen Entwicklungen gehören nun mal zum mangelhaften Geradeauslauf der Zeit.

   Viele sind aber ohne den Camping- und Stellplatzführer aus dem ADAC-Shop orientierungslos, wissen ohne ihre Bibel nicht wohin oder woher. Diese Geisterfahrer nehmen die falsche Ausfahrt, steigen aufs Rad, unterschreiben eine Petition gegen Markus Lanz oder lesen untermotorisierte Glossen hier in dieser Kolumne. Ein Drama. Wer austritt, irrt. Schummeln ist menschlich. Und Golf fahren ist herrlich. Amen.

 

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