Das Leben ist wahrlich kein
Paradies. Die grausamen Bilder, die uns diese Tage aus Kiew,
Syrien und von den Pariser Haute-Couture-Schauen erreichen,
sind einmal mehr erschütternd.
Umso
wichtiger ist es, der Depression zu trotzen und sich an den
erhebenden Momenten des Alltags zu erfreuen. Man sucht sein
Seelenheil im Glauben. Zu den seltenen metapsychischen Höhepunkten
des einfachen Bürgers gehörten in diesem Lande seit jeher die
Empfängnis eines jungfräulichen Ikea-Katalogs, die erste Vertreibung
aus dem RTL-Dschungelcamp sowie die Seligsprechung des VW-Golfs
mit Hilfe des "Gelben Engels".

Was
nämlich den Indern im Strassenverkehr die Kuh, ist dem gottesfürchtigen
Deutschen der Golf: Ein unantastbares Heiligtum. Wird der Öffentlichkeit
ein neuer Golf präsentiert, dessen Schminkspiegel drei Millimeter
breiter ist als zuvor, liegen sich die Menschen in den Armen,
fällt Weihnachten auf Ostern, werden Babys auf die Sondermodellnamen
"Cup" und "Match" getauft. Schon bei den
alten Germanen war der Golf-GTI-Kult ausgeprägt, in Gräbern
unter nordrhein-westfälischen Autowaschanlagen wurden zylindrische
Schädel mit wenig Hubraum, monströse Fuchsschwänze, phallische
Schaltknüppel mit aufgesteckten Golfbällen sowie völlig aussaglose
Pannenstatistiken gefunden.
Was nur
wenige im heidnischen Ausland wissen: In einer archaischen und
monotheistischen Autoreligion wie der unsrigen ist der Schutz
des Golf bis in die heutige Zeit ein wichtiges Element der gelebten
Geisteskultur. Zahllose deutsche Autozeitschriften widmen sich
liebevoll der Hege und Aufzucht dieses deutschen Prachtexemplars
und Anzeigebullen. Die reine Lehre verbietet den Verzehr oder
das Töten eines sinnlos umherirrenden Golf. Im Unterschied zu
den marodierenden Import-Rindviechern auf vier Rädern aus Frankreich,
Italien und Rumänien, die als minderwertig gelten und zur Jagd
auf Autobahnen freigegeben sind.

Betrüblich
ist allerdings die Tatsache, dass sich immer weniger Menschen
an der Engelswahl zum Lieblingsheiligen beteiligen wollen. Der
Vertrauensverlust der Clubkirche schlägt jetzt auch auf den
harten Kern ihrer orthodoxen Anhänger durch. Die Geschäftsstellen
leeren sich. Spektakuläre Selbstgeisselungen (In Haltebuchten,
mit Warnweste) und Verbrennungen von dottergelben Seidenkrawatten
sind an der Tagesordnung. Gegen die allgemeine Verweltlichung
und den Abfall vom Glauben hilft kein Staumelder - diese traurigen
Entwicklungen gehören nun mal zum mangelhaften Geradeauslauf
der Zeit.
Viele sind aber ohne den
Camping- und Stellplatzführer aus dem ADAC-Shop orientierungslos,
wissen ohne ihre Bibel nicht wohin oder woher. Diese Geisterfahrer
nehmen die falsche Ausfahrt, steigen aufs Rad, unterschreiben
eine Petition gegen Markus Lanz oder lesen untermotorisierte
Glossen hier in dieser Kolumne. Ein Drama. Wer austritt, irrt.
Schummeln ist menschlich. Und Golf fahren ist herrlich. Amen.
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