Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (05. Januar 2014)
 
Im Westen nichts Neues
 

   Wie immer zu Jahresbeginn haben wir unsere Aufklärungsdrohne Juhnke gestartet, die einen präzisen Ausblick auf die Ereignisse des kommenden Jahres erlaubt. Im Januar hüllt sich Deutschland in Rauchwolken. Die Offensive zur Erinnerung an den Ersten Weltkrieg beginnt. Viele Deutsche klagen über einen Würgereiz - wahrscheinlich Giftgas. Grüne Woche in Berlin. Zehntausende ausgehungerter Rentner in der Hauptstadt. Klaus Wowereit spricht von einer humanitären Katastrophe. Februar: Die grosse Koalition beginnt kraftvoll mit ihren Reformen. Kaum 300 Jahre später wird Deutschland ein anderes Land sein. März: Peter Scholl-Latour wird 90. Freiheitskämpfer, Islamisten und der Tod im Maisbrei gratulieren. April: Seit die FDP politisch keine Rolle mehr spielt, fristen auch deutsche Dekolletés ein Schattendasein. Viele klagen über Schwermut und Appetitlosigkeit. Die Westfront erstarrt unterdessen. Mai: Europawahl. Eine Mehrheit der Bürger entscheidet sich für die Abschaffung des Kontinents. Die Abbrucharbeiten gehen zügig voran, weil es im Süden ohnehin bröckelt.



   Juni: Verwirrung an der Westfront. Dort überlagern sich die Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg und an die Normandie-Invasion. Landungsversuche von Besuchergruppen aus England und den USA werden blutig abgewiesen. Juli: Boris Becker verschickt seine einmillionste Twitter-Meldung. Sie enthält eine neue Frisur, einen Hüftspeckgürtel und 56 Prozent Alkohol. Danach wird Twitter mangels Nachfrage abgeschaltet. August: In Deutschland bleibt die alljährliche Überschwemmung aus. Hunderttausende sitzen auf dem Trockenen. Die Politik sagt Hilfe zu.

   September: Im Westen nichts Neues. Dafür beginnt die Gedächtnisoffensive zum Beginn des Zweiten Weltkrieges. Rauchwolken. Papst Franziskus schränkt die Benutzung von Goldbrokat, Weihrauch und Myrrhe ein. Unruhe, ja Empörung bei kirchlichen Amtsträgern. Kurz darauf werden in der vatikanischen Kantine vergiftete Spirelli entdeckt. Nach zwei Mahlzeiten Zeichen von Amtsmüdigkeit beim Kirchenoberhaupt. November: Gedächtnis-Rauchwolken zum Fall der Berliner Mauer. Tausende Ostdeutsche bestaunen die Flughafen-Ruine und feiern den Sieg des Sozialismus. Der Abriss des Airports ist keine zwei Tage alt, da finden sich in einem Besenschrank unversehen der Lageplan mit Lichtschaltern, Lüftungsklappen und einige Zehntausende Euros in bar. Wowereit lässt den Abbruch stoppen. Die Inbetriebnahme sei nur noch eine Frage der Zeit.



   Dezember: 3-D-Drucker sind der Renner beim Weihnachtsgeschäft. Rauchwolken aus heisser Drucker-Knete über Saturn und Media-Markt. Auch die Politik lässt sich ihre eigene Welt dreidimensional ausdrucken und zieht sich danach aus der Politik zurück. Unsere Drohne Juhnke verabschiedet sich ins All. Alle Sensoren zeigen Anzeichen von Erschöpfung und Überdruss. Zwischen Uranus und Saturn wird sie von einer Silvesterrakete getroffen. Letzte Rauchwolke.

 

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