Was für den Künstler gilt,
dass der Applaus des Publikums sein Brot sei, kann für den schreibenden
Kunsthandwerker nicht ganz falsch sein. Natürlich lebt ein Journalist
ausser von der Überweisung des Verlegers vom Zuspruch seiner
Kundschaft - und doch, so scheint es, kommt ihm auch der Widerspruch,
zumal der geharnischte, ihm Übel wollende, zupass.
Diesen
Eindruck konnte bekommen, wer diese Woche eine Veranstaltung
besuchte, auf der zwei meiner Kollegen vor Publikum Leserbriefe
zum Besten gaben, die vor Verbalinjurien und Beschimpfungen
der übelsten Art nur so strotzten. Hate-Slam nennt sich diese
Art der Volksbelustigung, die interessanterweise gerade junge
Menschen anzieht, eine Klientel also, von der es heisst, dass
sie der Tageszeitung nur wenig abgewinnen könne. Der Begriff
Slam bedeutet Wettstreit oder Schlacht, könnte in dem Fall aber
mit Schlammschlacht übersetzt werden.

Diese
Hate-Slams erfreuen sich inzwischen einer so grossen Beliebtheit,
dass die Hälfte der Interessenten wieder nach Hause geschickt
werden muss und zu überlegen wäre, ob man die Sache von der
Club- nicht in die Hallen- oder Arenenebene verlagert. Aus Sicht
der Leserbriefprovokateurs scheint mir interessant, dass es
Themen gibt, mit denen es ein Leichtes ist, krawallige Reaktionen
hervorzurufen. Die Religion, jahrelang eine sichere Bank, scheint
etwas ins Hintertreffen geraten zu sein, so dass sich der Verdacht
aufdrängt, der strenggläubige Dogmatiker lese nur noch die Bibel.
Wer es auf Widerspruch anlegt, der mag eine liberale Haltung
beim Thema Tierschutz an den Tag legen ("Streunende Kater
kastrieren"). Noch heftigere Reaktionen erntet nur, wer
öffentlich darüber nachdenkt, ob gelegentlichen Geschwindigkeitskontrollen
(am besten auf Autobahnen) auch eine gewisse Sinnhaftigkeit
innewohnt. In dem Fall ist es von Vorteil, wenn unter dem Artikel
nur die E-Mail-Adresse des Autors genannt wird - und nicht etwa,
wo sein Wagen steht.
|