Tief durchatmen, liebe Leser.
So ist es gut. Spüren Sie es jetzt, dieses beissende Kratzen
im Hals, dieses Gefühl, als würde der Magen von einer unsichtbaren
Faust zusammen gedrückt. Spüren Sie zugleich eine wollüstige
Hitze, die sich bis in den Lendenbereich hinabzieht? Wie? Das
erleben Sie bei der Lektüre von ihrer Sonntagszeitung? Mag ja
sein, aber derzeit wird diese Wohlbefindlichkeit bis ins Unerträgliche
gesteigert. Dabei sprechen wir nicht von der neuen Alltagsdroge
Cannabis, die bei den Koalitionsgesprächen in Berlin zu einer
nie da gewesenen Heiterkeit geführt hat (Nur die CSU setzt noch
auf die alten Standard-Rauschmittel Bier und Blasmusik). Nein,
wir sprechen von den allerorten aufglühenden Weihnachtsmärkten.
Die
bewährte Aufklärungsdrohne "Juhnke" unserer Wissenschaftsredaktion
schwebt seit Tagen über dem Land und hat Mühe, ihre optischen
und olfaktorischen Sensoren im Zaum zu halten. Die aufsteigenden
Dampfwolken aus Zimt, Vanilleersatz, gezuckerten Tee, finnischen
Brantweinersatz, Glykol, Posaunenglibbern, asphaltierter Bratwurst,
Daunenjackenschweiss, Magensäure, verbrizzelten Stromleitungen
und Mandelscheiterhaufen haben bereits zu einer zusätzlichen
Klimaerwärmung um mehr als 1,34 Grad geführt und bringen die
verdutzte Erde mehr und mehr aus ihrer gewohnten Umlaufbahn.
Dazu tragen auch die Kolonnen von Reisebussen aus der Schweiz
bei, die sich in Richtung Deutschland bewegen. Meist kommen
sie wegen der Verkehrsstaus so spät an, dass die Buden schon
wieder geschlossen haben. Dennoch herrscht Bombenstimmung.

Juhnke
hat natürlich die wichtigsten Neuerungen durchgefunkt. Die Bürgermeister
vieler überschuldeter Mittelstädte treten als sprechende Elche
oder lebende Spendenbüchsen auf. Ebenfalls im Trend sind Christkindl
mit Migrationshintergrund und feuerfeste Alpakaunterhosen mit
seitlichem Eingriff. Immer beliebter sind auch jene Kinderlebkuchenwerkstätten,
in denen die Kleinen zu Lebkuchen verarbeitet werden. Die Eltern
essen solange eine Schüssel Nougat-Meerrettich-Schaschlik oder
schauen zu, wie wehrlose Früchte, Haustiere und Badelatschen
mit Schokolade übergossen werden und den beseelten Besuchern
zum Frass vorgeworfen werden. Doch diese Wunderwelt hat auch
ihre abgründigen Schattierungen. Die überall umherwandernden
Rauschebärte verbergen nämlich oft genug hundsgemeine Taschendiebe.
Sollte Ihnen ein Bartgebüsch merkwürdig vorkommen, setzen Sie
es einfach mit einer gegossenen Stumpenkerze in Brand oder schlagen
sie mit einer Crepe-Pfanne so lange darauf ein, bis jedes Lebenszeichen
erlischt.
Leider muss unsere Weihnachtsmarkt-Berichtserstattung
in diesem Jahr kurz ausfallen, weil unsere Drohne "Juhnke"
nach Genuss von vier Einmachgläsern Glühwein der Sorte "Kosakenpeitsche
- herrlich ätzend" in eine Wanne mit kupferhaltiger Zuckerwatte
abstürzte. Die verklebten Schaltkreise sollen aber an Ostern
wieder voll einsatzfähig sein.
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