Der November hat Deutschland
fest im Griff. Die Menschen tragen eine trist-graue Gesichtsfarbe
mit sich herum und flüchten sich in wärmeverheissende Kaffeebars,
wo sie becherweise Espresso macchiato, extra-spumante oder Caramel-Latte
schlürfen und ihr Dasein von den beschlagenen Scheiben traurig
spiegeln lassen. Draussen dreht sich derweil alles sinnlos um
sich selbst.

Ein
früherer Tennisstar hängt sich im Fernsehen Christbaumkugeln
an die Ohren und macht allerlei lustige Wodkafaxen, in den Talkshows
werden Prostituierte herumgereicht, und ein Münchener Rentner
tauscht bei Rewe eine Grafik von Ernst Ludwig Kirchner gegen
vier Flaschen Spaghettisosse Ricotta Milanese, 240 Gramm Rindersalami
und zwei Päckchen Malboro ein. Die 340879,34 Euro Wechselgeld
steckt er achtlos ein. Geld ist nicht alles. Man muss halt leben.
Und die Kunst ... sowieso.
Während
in München der graue Himmel sogar die Leuchtkraft der klassischen
Moderne verblassen lässt,und die gute alte Hoeneß-Birne von
hellem Rot ins Käsige wechselt, lodern im politischen Berlin
die Leidenschaften. Die Alphatiere der Politik tricksen, prahlen
und prassen, lügen und weinen. Und wenn es am Ende ans Geldverteilen
geht, hauen sie sich unter dröhnendem Gelächter gegenseitig
auf die Finger "Mal alle fünfe gerade sein lassen ... so
jung kommen wir nicht mehr ... gibts du mir, so geb ich ..."
Und es gibt viel zu verteilen, für Arme und Kranke, Kinderreiche
und Haustiere, Sieche und Genesende. Sigmar Gabriel beeindruckt
die Delegierten mit einer Revue der bekanntesten Zigarettenhalterungen
Willy Brandts und lässt zum Abendessen Mettwurstbrötchen von
der Decke regnen. Horst Seehofer lässt seinen Märklin-Modell-Panzerzug
"Kim Il Sungs goldene Morgenröte" gegen die Steuererhöhungspläne
der SPD anrennen. Sein Adlatus Dobrindt kann abends nur mit
Hilfe eines Schuhlöffels jene Brille ablegen, mit der er tagsüber
den Gesprächspartnern so lange ein Weissbier in den Kopf projiziert,
bis jeder Widerstand erlischt. Andrea Nahles, die fatale Diseuse
der Sozialdemokratie, gibt einen Pippi-Langstrunpf-Liederabend,
die Kanzlerin schreibt mit ihrem SMS-Daumen erstmals seit ihrer
Doktorarbeit wieder auf Papier, damit sie nicht mehr abgehört
werden kann. Das führt zu gehöriger Verwirrung, weil Wortfragmente
wie Mütterverrentungsbemessungsgrenzenmehrwertsmeinungsführerschaft
erst vom wissenschaftlichen Dienst übersetzt werden müssen.

Was
aber bleibt uns allen, wenn der Nachmittag von der frühen Nacht
geschluckt wird und sich die Menschen hinter hochgeschlagenen
Mantelkragen verschanzen? Die Heizung ruinös aufzudrehen und
der Partnerin beim Ausprobieren neuer Dessous zuzuschauen? Sich
eine Wärmeflasche mit Rotwein ins Bett zu nehmen? Zur Musik
von Lou Reed zu weinen? Am Ende hilft doch nur der Kräutergarten
auf der Fensterbank. Dort sollte man jetzt Teltower Rübchen
pflanzen. Die schmecken im Eintopf und überhaupt..
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