Was ist das nur für eine
Welt, in der ein Zoo-Gepard die Mauer seines Geheges überspringt
und sich dann einfach hinsetzt? Viele Menschen in Deutschland
mögen sich das diese Woche gefragt haben, als im Erfurter Zoo
ein Gepardenmännchen ausbüxte - angeblich, weil sein Jagdinstinkt
durch zwei Esel, die an dem Gehege vorbeigeführt worden waren,
geweckt wurde.
Auch von einem domestizierten
Wildtier, so konnte man zwischen den Zeilen von Zeitungsmeldungen
lesen, hätte man eigentlich eine Flucht oder ein ordentliches
Blutbad erwarten dürfen. Mindestens die Esel sowie zehn Zoobesucher
hätte eine Bestie, nach allem, was man aus dem Fernsehen weiss,
reissen müssen. Man kann den Fall auch aus der Perspektive des
Moralisten betrachten. Hat sich der Gepard durch sein Verhalten
nicht nur an der stets betroffen zuschauenden Welt, sondern
auch an seinen Artgenossen schuldig gemacht? Immerhin hätte
er durch artgerechtes Verhalten eine Diskussion über die unwürdige
Raubtierhaltung in Zoos in Gang bringen können.

Wobei,
wenn ich es mir recht überlege, die könnten wir auch so haben.
Wäre ich Tierschützer, dann würde ich folgende Frage aufwerfen:
Ist das Verhalten des Geparden nicht der beste Beweis dafür,
dass das Tier ein Opfer der Verhauskatzung ist? Aber ich bin
kein Tierschützer und brauche mir solche Fragen nicht zu stellen.
Als Mann jenseits der Fünfzig ahne ich ohnehin, was in einem
Gepardenmännchen, das es beim Sprung belässt, vor sich geht.
Man muss nicht jedes Mal seine Natur ausleben. Manchmal genügt
auch das gute, tiefe Gespräch mit einer schönen Frau.
Deshalb,
liebe Geparden, auch wenn euch die Welt für harmlose Schmusekater
hält. Springt, wenn's euch danach ist! Und setzt euch hinterher
hin! Wegen mir müsst ihr kein Blutbad anrichten, ich fände das
eher lächerlich, wo ihr den Rostbraten doch frei Haus geliefert
bekommt. Auch wenn ihr nur springt, liebe Geparden, weiss ich,
dass tief in eurem Inneren ein Raubtier schlummert.
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