Und los geht's. Der Deutsche
Bundestag ist am vergangenen Dienstag zu seiner ersten Sitzung
in der neuen Legistaturperiode zusammengekommen. Man nennt dies
auch die konstituierende Sitzung, wobei allein beim Wort konstituierend
derart viele Zuschauer abschalten, dass ARD und ZDF sich auch
dieses Jahr entschieden haben, lieber was Leichtes zu senden.
Wozu hat man denn den Doku-Kanal Phönix? Sollen die doch das
Schweigen des Lammert übertragen.
Das
mit dem schweigenden Lammert war natürlich nur ein blöder Spass.
Tatsächlich hört sich Norbert Lammert, der alte und der neue
Bundestagspräsident, furchtbar gern reden. Dieses Mal hat er
sich in seiner Antrittsrede komischerweise nicht darüber mokiert,
dass ARD und ZDF seine Worte nicht live in die grosse, weite
Welt tragen. Dafür hat er die rund 15000 Drucksachen kritisiert,
die der Bundestag in den vergangenen vier Jahren produzierte.
15000 Drucksachen sind ja auch eine Menge Holz - oder um es
mit den betonten Worten des Grossredners Lammert zu sagen: "Es.
Sind. Zu. Viele."

Ds
Gleiche hätte Lammert auch über die Abgeordneten sagen können.
Sage und schreibe 631 Parlamentarier sitzen im neuen Bundestag,
das Ganze nimmt allmählich Ausmasse eines chinesischen Volkskongress
an. Gut, direkt nach der deutschen Wiedervereinigung waren es
noch mehr, aber da waren auch viele Überschwangmandate dabei.
Damit's
da unten etws leerer wird, hat der Bundestag Herrn Lammert gleich
sechs Stellvertreter zur Seite gestellt. Die sind beim Gerangel
um Fahrdienste somit schon mal aus dem Verkehr gezogen, weil
sie Anspruch auf einen eigenen Wagen haben.
Falls
sich jemand an diesem parlamentarischen Wasserkopf gestossen
haben sollte, hat es die Öffentlichkeit nicht mitbekommen, denn
die Opposition ist im Bundestag auf eine kaum noch hörbare Grösse
geschrumpft. Sollte es zu der ganz grossen Koalition zwischen
CDU und SPD kommen, wird es 504 Regierungsabgeordnete geben
und nur noch 127 Oppositionelle. Umgerechnet auf ein Fussballspiel,
kicken da elf gegen drei, aber derlei sportliche Gedanken haben
im Parlament nichts verloren. Deshalb hat man die konstituierende
Sitzung auch nicht Kick-off-Meeting genannt.

Alle
machen sich jedenfalls grosse Sorgen um die Opposition. Vielleicht
sollte Frau Merkel deshalb, bevor sie eine Regierung bildet,
erst mal eine Opposition bilden. Linke und Grüne bringen nicht
einmal die benötigten Stimmen für einen Untersuchungsausschuss
zusammen, ohne den eine Legistaturperiode nun wirklich fade
wäre. Nach dem Desaster mit der FDP sollte die Kanzlerin endlich
über ihren eigenen Schatten springen und mit ein paar Leihstimmen
rüberkommen.
Was die Redezeit angeht,
sollte man das Ganze allerdings differenziert betrachten. Zwar
darf laut Geschäftsordnung die Opposition pro Stunde gerade
mal zehn Minuten was sagen, dafür kann sie nun ausgiebig vom
schönsten aller Grundrechte Gebrauch machen: Dem Recht zu schweigen.
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