Die Spannung steigt. In
dieser Woche wird zum Start der Frankfurter Buchmesse wieder
irgendein Buchpreis vergeben. Seit Tagen wird über nichts anderes
mehr gesprochen. Und unsere Kolumne, das geschätzte Pflichtblat
der deutschen Wertpapierbörse, kennt den Titel der aussichtsreichsten
Kandidaten.
Da wäre etwa das Debüt
des Popliteraten Christiano Y. Lindner, de rmit seinem autobiografischen
Kochbuch "Mein Haar in der gelben Suppe" bereits zum
Shooing Star in der Bahnhofsapotheke von Wanne-Eickel avanciert
ist. Seit dem Erscheinungstermin ist Aspirin zum Kauen ausverkauft.
Minutiös wird auf 600 Seiten der innere Dialog eines gereiften
Schmerzenmannes mit seiner linksliberalen Geheimratsecke beschrieben.
Erst im vorletzten Kapitel beginnt so etwas wie Hoffnung zu
spriessen. Auf einen zarten Flaum - oder eine Mehrwertsteuersenkung.
Eine zutiefst blonde und verstörende Auseinandersetzung mit
dem alltäglichen Ich-Verlust in deutschen Badezimmern, jubelte
bereits der Kritiker der Hotelier-Umschau.

Einen
entgegengesetzten Irrweg beschreitet Mamalu Dreyer, eine rassige
Newcomerin unbekannter Herkunft, die erst vor drei Wochen Lesen
und Schreiben gelernt hat. In ihrer experimentellen, einseitigen
Brieferzählung "'Schab nix gemacht. Geschichten aus einer
Pfälzer Hauptschule" verzichtet sie komplett auf jegliche
Psychologisierung, Logik und alles, was den Lesefluss allzu
behindern könnte. Intellektuellen Firlefanz wie Konsonanten
und Kommata sucht man vergeblich, wer mit wem spricht, bleibt
ein Rätsel. Dreyers sozialistischer Poststrukturalismus hat
zweifelsohne etwas von der Poesie einer letzten Rolle Raufasertapete.
Ein Meisterwerk.
Auch lesenswert: Silvia
Berlusconi. Eine norditalienische Erotomanin, die in ihrer neu
aufgelegten Reiseschmonzette "Narziss und Schmollmund"
wie gewohnt auf verschwitzte Metaphern und pädophile Anzüglichkeiten
im Geiste eines Georges Bataille setzt. Ein einziger Tabubruch,
atmosphärisch dicht wie ein eingetrockneter Lasagne-Rest. Die
tragische Geschichte handelt von einem bambinohaften Herrenreiter,
der mehrfach in High Heels ein schönes, stolzes Land besteigt,
es viele Jahre erniedrigt, um am Ende wider Erwartung mit nackter
Nudel dumm dazustehen. Aber Vorsicht, der Plot ist dermassen
schmierig, dass einem das Buch aus den Händen flutscht.

So
viel Esprit und Emphase hätte man sich auch von Winifried K.
Retschmann, der Grand Dame des ökologisch abbaubaren Feuilletons,
gewünscht. Doch ihre gesammelten Predigten und Sondierungsgespräche
("Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war")
sind eine herbe Enttäuschung, lesen sich so sexy wie der Veranstaltungskalender
der Jungen Union oder die Gebrauchsanleitung einer unaufhaltsamen
Tunnelbohrmaschine. Immerhin lässt sich das teigige Œuvre gut
als Boden für einen original schwäbischen Grünzwetschgenkuchen
verwenden. Im vorgeheizten Backofen bei 200 Grad einfach eine
Legislaturperiode lang schwarzbacken.
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