Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (22. September 2013)
 
Das Ding
 

   Ich hätte gern zu Generation Golf gehört. Aber leider wuchs ich nicht in den achtziger, sondern in den sechziger und siebziger Jahren auf. Rückblickend sehe ich mit meinem Bruder vor dem Fernseher sitzen, jeder einen Karton Mohrenköpfe und tranken Sprudel. Der Sprudel schien den Zucker der Mohrenköpfe zu neutraliseren. An guten Tagen schaffte jeder von uns beiden eine Schachtel Mohrenköpfe. Wenn ich überhaupt zu einer Generation gehöre, dann zur Generation Mohrenkopf.

   Natürlich weiss ich, dass man Mohrenkopf eigentlich nicht mehr sagen darf. Der Mohrenkopf steht wie das Zigeunerschnitzel unter Rassismusverdacht. Offizell heissen Mohrenköpfe inzwischen Schoko- oder Schaumküsse. Das Komische ist, ich kann mich nicht daran erinnern, dass jemals jemand aus meiner Generation Wörter wie "Schokokuss" oder "Schaumkuss" in den Mund genommen hat. Manchmal hört man "Dickmann", weil die Firma August Storck aus Berlin ihre Mohrenköpfe Dickmänner nennt. Bisher kam noch niemand auf die Idee, dass damit füllige Männer durch den Kakao gezogen werden.



   Ich glaube nicht, dass Leute, die den Begriff "Mohrenkopf" im Mund führen, zwangsläufig Rassisten sind. Ich vermute, dass sie "Mohrenkopf" sagen, weil sie das an eine Zeit erinnert, in denen ihnen manches im Leben noch einfacher erschien. An eine Zeit, als sie stundenlang vor der Glotze sassen, Mohrenköpfe verdrückten und Strudel tranken.

   Fast täglich verdrücke ich einen Mohrenkopf, meist zum Kaffee nach dem Mittagessen. Auch diese Woche habe ich mir einen in der Cafeteria geholt. Ich wollte ihn an der Kasse bezahlen, schaute hoch und blickte in das Gesicht eines jungen, attraktiven Mannes mit dunkler Hautfarbe. Ich streckte ihm den Mohrenkopf hin und hörte mich sagen: "Ich zahle das Ding da." Schon verrückt. Ich hätte keine Skrupel gehabt, bei dem Mann ein Zigeunerschnitzel zu bestellen.

 

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