Rechtzeitig zum Wahlsonntag
haben sich die für diese Kolumne zuständigen Kollegen krankgemeldet.
Keiner wollte sich der Gefahr aussetzen, dass sein Text als
Wahlempfehlung missverstanden wird. Deshalb zeichnen für die
folgende Kolumne allein die im Bundestag vertretenen Parteien
verantwortlich.
Das Wort hat die Kanzlerin
der Bundesrepublik Deutschland: "Es gibt Momente, da steht
viel auf dem Spiel. Deshalb sitze ich jetzt allein in dem beknackten
Raum, schaue in die Kamera und fange die meisten Sätze mit 'Ich
will ...' an. Was ich wirklich will, sage ich nicht, das will
ja keiner hören. Also, ich will weitermachen wie bisher. Mich
nicht bei jedem Scheiss zu Wort melden. Sollen die anderen diskutieren.
Ich tu regieren. Und hinterher gibt's Pommersche Kartoffelsuppe
von Mutti. Gemeinsam schaffen wir das."

Das
Wort hat jetzt der Kanzlerkandidat der SPD (nachdem zuvor das
Volk sein Leid geklagt hat: Eine Mama mit Tattoos und weitem
Ausschnitt findet keinen Kindergartenplatz; eine Familie sorgt
sich beim Campingurlaub um seine Rente): "Ich will Bundeskanzler
werden, weil in Deutschland etwas aus dem Lot geraten ist. Und
weil es in unserem Land wieder gerechter zugehen muss. Ich will
meinen Mittelfinger in die Wunde legen. Dafür stehe ich. Deshalb
bitte ich Sie um Ihre Stimme. Das Wir entscheidet."
Das
Wort hat der Vorsitzende der FDP-Bundesfraktion: "Deutschland
geht es gut. Ich möchte auch, dass es Ihnen gut geht. Ich sitze
hier in einem Café, habe eben ein Ei geköpft und werde gleich
sagen, dass Rot-Rot-Grün nicht das Gelbe vom Ei ist. Das ist
originell, aber leider nicht von mir. Wir wollen Ihr Bestes
udn bleiben selbst bescheiden: Geben Sie Ihre Erststimme wem
Sie wollen, aber geben Sie uns Ihre Zweitstimme, das langt uns."
Das
Wort hat ein Spitzenkandidatenpaar von Bündnis 90 / Die Grünen:
"Für 90 Sekunden Wahlwerbung tragen die Parteien die Verantwortung.
Wir wollen Verantwortung für länger - für so lang, wie Atommüll
strahlt. Aber 90 Sekunden können sich auch ziehen, dashalb machen
wir das in Doppelmoderation. Wir sind für Energieeffizenz und
für Sonne udn Wind, weil die keine Rechnung schreiben. Die sind
wie die Öffentlich-Rechtlichen, die für Wahlwerbespots auch
keine Kohle kriegen."

Das Wort hat die Partei Die Linke, die eine
Schauspielerschülerin ins Rennen schickt, die sich als Mitarbeiterin
eines Callcenters ausgibt: "Lieber würde ich was von Brecht
zitieren: 'In Erwägung unserer Schwäche machtet / Ihr Gesetze,
die uns knechten solln' Aber weil das kein Schwein mehr versteht,
muss ich halt sagen: 'Es geht nur noch um Gewinne und Profite.'"
Jetzt
liegt es an Ihnen, liebe Wähler. Aber egal, was Sie heute ankreuzen,
bereits am kommenden Sonntag werden Sie von Demoskopen aus dem
Schlaf geklingelt, die wissen wollen: "Wenn heute Bundestagswahl
wäre, wer bekäme Ihre Stimme?"
Herzlichts, Ihr
Bundeswahlleiter
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