Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (08. September 2013)
 
Männliche Wechseljahre
 

   Der Sommer ist so gut wie vorbei, dennoch liegt ein säuerlich-stickiges, transpirationsförderndes Aroma in der Luft. Das hängt nicht damit zusammen, dass Peer Steinbrück in Sachen Wahlkampf unterwegs ist und bald auch in Ihrer Stadt (ja genau, in Ihrer Stadt!) auftreten wird. Das Phänomen des allgemeinen Schwitzens begründet sich vielmehr in der Entdeckung der männlichen Wechseljahre. Jahrhundertelang hat sich die Medizin nicht um die Männer gekümmert. Sie schwitzten halt, waren oft schlecht gelaunt und führten Kriege, um die Stimmung wenigstens ein bisschen zu heben. Jetzt hat man endlich reagiert. Diese Woche waren in ganz Deutschland Beratungszelte aufgebaut, in denen sich Männer schlotternd und schwitzend zusammendrängten. Urologen, von Beratern der Pharmaindustrie an langen Schnüren geführt, schauen auf die Blutwerte, schütteln bedächtig die Köpfe, während der zum Patient gewordene Mann zu einem nassen Bündel Angst wird.



   Bisher orientierte sich die öffentliche Wahrnehmung an Männern wie Olli Kahn und Horst Seehofer, deren Testosteronspiegel den messbaren Bereich um ein Vielfaches übersteigt. Der Auftritt Steinbrücks mit seiner Frau in einer Talkshow aber hat das Blatt gewendet. Steinbrück fing bekanntlich während einer Veranstaltung ohne Grund an zu weinen und rollte sich, nachdem die Kamera abgeschaltet war, in den Armen des Moderators zu einer embryonalen Masse zusammen. Nur durch sofortige Gabe eines Hormon-Tetrapaks brachte man ihn wieder zu Bewusstein. Blitzartig konnte er die momentane Staatsverschuldung, die Kosten durch das Betreuungsgeld, die Unfähigkeit von Schwarz-Gelb zu einer sinnvollen Finanzpolitik und die an Lethargie grenzende Führungsschwäche der ... Jedenfalls war er wieder gut in Form. Beim Kanzlerduell ging gerade noch mal alles gut. Gerade, als Steinbrücks Mundwinkel zu zittern begannen, war alles vorbei, und Stefan Raab strich ihm beruhigend übers Resthaar.



   Steinbrück ist nicht allein. Viele Männer, die in die Wechslejahre kommen, also die Zeit, in der sie zum letzten Mal ihr Auto und ihre Partnerin wechseln, begreifen nicht, was da geschieht. Sie geraten ohne Grund ins Schwitzen, etwa nach Genuss von vier Weissbieren und einem Schweinebauch, sind reizbar und verstehen unter Libido eine längst ausgestorbene Spielerposition aus der Welt des Fussballs. Hilfe verspricht wie im Fall Steinbrück die Gabe von Testosteron. In unserer kommenden Ausgabe wird deshalb die Anleitung für ein Kleinstlabor zur Synthese dieses Hormons beiliegen. Wundern Sie sich nicht über den strengen Geruch. Allerdings bedarf es zum Aufbau des privaten Hormonhaushalts eines funktionsfähigen Stiers. Fragen Sie doch mal beim Biobauern nach. Abschliessend muss gesagt werden, treten Steinbrück-Symptome auf, ist nicht immer der Griff zum Stierhoden angezeigt. Wer sich nach Lektüre der Kolumne reizbar, aggressiv oder undendlich müde fühlt, sogar zu weinen anfängt, ist völlig normal.

 

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