Lauschangriff in der Stadtbahn.
Junge, bleiche Menschen in verwaschenen Kleidern unterhalten
sich über den Zustand der Welt. Sie wirken besorgt, sprechen
leise. Es fallen Begriffe wie Klimakatastrophe, Rohstoffausbeutung,
Ozonloch, Nachhaltigkeit. Beim Stichwort "ökologischer
Fussabdruck" schiebe ich meine Beine unter den Sitz. Ich
habe Schuhgrösse 45 und fühle mich schuldig. 50 lange Jahre
lebte ich auf grossem Fuss.
Falls Sie
in Umwelt- und Weltverbesserungsdingen noch nicht so bewandert
sein sollten: Der ökologische Fussabdruck ist für immer mehr
Bürger das Mass aller Dinge. Der verrät Ihnen, wie viel Fläche
Erde nötig sind, um Ihrem Lebensstil zu ermöglichen.

Ich
habe früher in Saus und Braus gelebt, stand den Geissens, diesen
TV-Grosskotzen von RTL2, in nichts nach. Mein ökologischer Fussabdruck
entsprach der Fläche sämtlicher Golf- und Kunstrasenplätze weltweit.
Inzwischen habe ich mein Leben umgekrempelt, meinen Lambo gegen
einen Laternenmast gefahren, meinen Führerschein Greenpeace
gestiftet. Ich ernähre mich von Lichtenergie und unterbiete
mit meinem ökologischen Fussabdruck die Fläche, die einer Legehenne
zusteht.
Auch wenn ich allein in einem
Baumhaus lebe, so weiss ich doch, dass viele Menschen mit mir
sind. Immer mehr verantwortungsbewusste Erdenbürger bekenne
sich zur Bescheidenheit. Sie leben spartanisch wie Kellerasseln.
Auf
"Spiegel Online" wurden diese Woche drei junge, hoffnungsvolle
Menschen porträtiert, die den Verzicht predigen und nicht mal
mehr Atomstrom aus heimischen Anbau verwenden. Ein Kölner Student
der Vokswirtschaftslehre sagte, wenn einer seiner WG-Genossen
die Nudeln vom Vortag in den Abfall werfe, hole er sie heraus
und esse sie.
Im Winter habe er versucht,
in der Wohnung ohne Heizung auszukommen. Zehn Stunden am Tag
sei er, die Beine in drei Hosen und einen Schlafsack gehüllt,
vor dem Notebook gesessen und habe für eine VWL-Arbeit gelernt.
Ein Kommentator schrieb im Netz, dass er dem jungen Mann nie
eine Wohnung vermieten würde. Werde winters nicht geheizt, fördere
das den Schimmelbefall.
Der Mann hat
nichts begriffen. Genau darum geht es uns. Wir wollen eins werden
mit dem Schimmel, der Natur, dem Universum. Wir wollen nicht
mehr als Sondermüll mit gigantischen ökologischen Fussabdrücken
und in H&M-Klamotten durch die Welt latschen. Wir sind Moos.
Wir sind Erde. Wir wollen verrotten - rückstandsfrei auf dem
Komposthaufen der Weltgeschichte.

Kürzlich habe ich bei Freunden einen Film über
indische Mönche und Nonnen gesehen. Es handelte sich um Anhänger
des Jainismus. Wenn diese Leute für Almosengänge auf Wanderschaft
gehen, haben sie kleine Besen dabei, um Kleinstlebewesen und
Insekten beiseite zu fegen, damit diese nicht verletzt oder
getötet werden. Die schwäbische Kehrwoche, liebe Freunde, muss
neu gedacht werden.
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