Heute gehen wir an dieser
Stelle Fragen nach, die keiner bislang zu stellen wagte. Die
erste Frage lautet, wie genau bringen unsere Redakteure eigentlich
ihr Wissen zu Papier? Antwort, gar nicht. Wir schreiben in eine
Art Box in unserer Redaktionssystem. Diese Box wird intern Karton
genannt.
Es gibt in unserem Computer
nicht nur Kartons für Texte, sondern auch für Fotos. Da kommen
dann mehr oder weniger aktuelle Bilder rein, zum Beispiel von
Razzien. Solche polizeilichen Durchsuchungen üben eine eigentümliche
Faszination aus, obwohl die Berichterstattung meist etwas monoton
daherkommt. In der Regel ist von Hunderten Beamten die Rede,
die im Morgengrauen mehrere Privat- und Geschäftsräume von Rechtsraikalen
/ Steuersündern / Islamisten / Rockerbanden durchsuchen und
dabei umfangreiches Beweismaterial sicherstellen. Auf den Fotos
ist dann zu sehen, wie die Beamten das Material aus dem Haus
schleppen - in der Regel in Kartons.

Spätestens
an diser Stelle merkt der Leser, sofern sein Verstand nicht
von Pappe ist, dass dieser Text ein grosses Thema hat, den Karton.
Wir sind vermutlich die bislang einzige Redaktion der Welt,
die der Frage nachgegangen ist, wie die Polizei zu ihren Kartons
kommen.
Auslöser der Recherche waren
Fotos, auf den Kartons des Heimwerkermarktes Bauhaus zu sehen
waren. Der Schriftzug war so gross, dass man meinen könnte,
diese Razzia (es handelte sich um eine Durchsuchung bei Islamisten)
sei nur mit freundlicher Unterstützung der Firma Bauhaus möglich
gewesen. Warum kriegt Bauhaus diese kostenlose Werbung? Ist
unsere Polizei korrupt?
Das Landeskriminalamt
Baden-Württemberg, dessen Beamte in dem Fall hinter den Kartons
steckten, weist das natürlich weit von sich. In der Regel verwende
man, wenn möglich, neutrale Kartons, die man in grösseren Mengen
einkaufe, damit es billiger wird. Die Kartons mit dem Bauhaus-Logo,
das müsse eine Spontan-Beschaffung gewesen sein. Soll heissen,
wenn der Polizei die Kartons ausgehen, muss sie halt kurz den
nächsten Baumarkt stürmen.
Nachfragen
bei anderen Polizeidienststellen ergaben, dass es an einer bundesweit
einheitlichen Regelung zum Kauf von Kartons fehlt. Die einen
kaufen nur neutrale Kartons, die anderen auch welche mit Beschriftung,
wenn die billiger sind. "Dazu sind wir dem Steuerzahler
gegenüber verpflichtet", so ein Sprecher.

Gut
auch zu wissen, dass so ein Karton innerhalb der Polizei so
lange Verwendung (auch bei interen Umzügen oder Verpflegungstransporten)
findet, bis er eine alte Schachtel ist. Und dass die Kosten
(ein bsi zwei Euro pro Karton) den Beschuldigten nicht in Rechnung
gestellt werden.
Des Weiteren versichterte
man uns, dass die Polizei überhaupt kein Interesse an Schleichwerbung
habe und sich bei einer Durchsuchung darauf konzentriere, möglichst
viel Beweismateral zu sammeln. Im Grunde ist es bei einer Razzia
also wie beim Schreiben. Am Ende muss der Karton voll sein.
|