Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (07. Juli 2013)
 
Das ist ein Karton
 

   Heute gehen wir an dieser Stelle Fragen nach, die keiner bislang zu stellen wagte. Die erste Frage lautet, wie genau bringen unsere Redakteure eigentlich ihr Wissen zu Papier? Antwort, gar nicht. Wir schreiben in eine Art Box in unserer Redaktionssystem. Diese Box wird intern Karton genannt.

   Es gibt in unserem Computer nicht nur Kartons für Texte, sondern auch für Fotos. Da kommen dann mehr oder weniger aktuelle Bilder rein, zum Beispiel von Razzien. Solche polizeilichen Durchsuchungen üben eine eigentümliche Faszination aus, obwohl die Berichterstattung meist etwas monoton daherkommt. In der Regel ist von Hunderten Beamten die Rede, die im Morgengrauen mehrere Privat- und Geschäftsräume von Rechtsraikalen / Steuersündern / Islamisten / Rockerbanden durchsuchen und dabei umfangreiches Beweismaterial sicherstellen. Auf den Fotos ist dann zu sehen, wie die Beamten das Material aus dem Haus schleppen - in der Regel in Kartons.



   Spätestens an diser Stelle merkt der Leser, sofern sein Verstand nicht von Pappe ist, dass dieser Text ein grosses Thema hat, den Karton. Wir sind vermutlich die bislang einzige Redaktion der Welt, die der Frage nachgegangen ist, wie die Polizei zu ihren Kartons kommen.

   Auslöser der Recherche waren Fotos, auf den Kartons des Heimwerkermarktes Bauhaus zu sehen waren. Der Schriftzug war so gross, dass man meinen könnte, diese Razzia (es handelte sich um eine Durchsuchung bei Islamisten) sei nur mit freundlicher Unterstützung der Firma Bauhaus möglich gewesen. Warum kriegt Bauhaus diese kostenlose Werbung? Ist unsere Polizei korrupt?

   Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg, dessen Beamte in dem Fall hinter den Kartons steckten, weist das natürlich weit von sich. In der Regel verwende man, wenn möglich, neutrale Kartons, die man in grösseren Mengen einkaufe, damit es billiger wird. Die Kartons mit dem Bauhaus-Logo, das müsse eine Spontan-Beschaffung gewesen sein. Soll heissen, wenn der Polizei die Kartons ausgehen, muss sie halt kurz den nächsten Baumarkt stürmen.

   Nachfragen bei anderen Polizeidienststellen ergaben, dass es an einer bundesweit einheitlichen Regelung zum Kauf von Kartons fehlt. Die einen kaufen nur neutrale Kartons, die anderen auch welche mit Beschriftung, wenn die billiger sind. "Dazu sind wir dem Steuerzahler gegenüber verpflichtet", so ein Sprecher.



   Gut auch zu wissen, dass so ein Karton innerhalb der Polizei so lange Verwendung (auch bei interen Umzügen oder Verpflegungstransporten) findet, bis er eine alte Schachtel ist. Und dass die Kosten (ein bsi zwei Euro pro Karton) den Beschuldigten nicht in Rechnung gestellt werden.

   Des Weiteren versichterte man uns, dass die Polizei überhaupt kein Interesse an Schleichwerbung habe und sich bei einer Durchsuchung darauf konzentriere, möglichst viel Beweismateral zu sammeln. Im Grunde ist es bei einer Razzia also wie beim Schreiben. Am Ende muss der Karton voll sein.

 

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