Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (30. Juni 2013)
 
Schreiben ist Silber, Zerreden ist Gold
 

   Hinter uns liegt eine Woche, in der der schreibende Mensch neidvoll auf den sprechenden Menschen blickte. Während der - zumal für eine Kolumne - produzierende Mensch in seinem Schreibfluss oft gehemmt wird, darf der sprechende Mensch reden und reden und reden ...

   Fast elf Stunden sprach die demokratische Senatorin Wendy Davis, 50, in Austin / Texas, um damit ein geplantes Abtreibungsgesetz zu Fall zu bringen. Offenbar hatte sich die dauerredende Triathletin akribisch auf ihrhen Coup vorbereitet. Die drahtige, blonde Frau trug bei hrem Redemarathon pinkfarbene Joggingschuhe der Marke Mizuni (Model Wave River 16), die sich nun über (Obacht, Wortspiel!) Absatzprobleme nicht beklagen können. Die Dinger sind ein Renner.

   Wir erwähnen das mit den Laufschuhen nur deshalb, um zu zeigen, wie sich die Zeiten geändert haben. Oder weiss jemand, mit welcher Turnschuhmarke Joschka Fischer einst in den hessischen Landtag einzog? Fischers Auftritt mag manchen alteingesessenen Parlamentarier ins Mark getroffen und die Presse zu der Wortkreation "Turnschuh-Minister" beflügelt haben, aber Marken interessierte damals kein Schwein.



   Heute würde die Sacher andersherum laufen, zumal bei einem Politiker, dessen Partei sich die Verbesserung der Welt auf ihre Fahnen geschrieben hat. Sofort würden sich die besten Rechercheure der Republik daranmachen, die Turnschuhmarke (so die Pressestelle nicht freiwillig herausrückt) zu ermitteln. Dann würden sie überprüfen, ob die Latschen den gnadenlosen Gesetzen der Nachhaltigkeit und Fair Trade entsprechen. Käme heraus, dass die Schuhe nicht von nachwachsenen Polyurethan-Bäumen stammen oder dass bei der Herstellung Kinderhände im Spiel waren, könnte sich der Held gleich wieder vom Acker machen.

   Aber wir bewegen uns im Spekulativen. Halten wir lieber fest, dass Frau Davis bei uns über die Warmlaufphase nicht herausgekommen wäre. Der deutsche Parlamentarismus hat ein Instrument entwickelt, der verhindert, dass Minderheiten mittels Dauerrede eine Entscheidung so lang herauszögern können, bis sie zu Fall kommt. Die Redezeit im Bundestag ist auf 15 Minuten begrenzt. Im Grunde eine feine Sache, sonst würde sich Gerhard Schröder heute noch am Reichstagsmikrofon festhalten und gegen seine Abwahl monologisieren. Interessant ist, dass die Abgeordneten eine Technik entwickelt haben, die die Redezeitbeschränkung wie Makulatur erscheinen lässt. Es gelingt ihnen immer wieder, eine 15-Minuten-Rede zu halten, an deren Ende man meint, dass sie elf Stunden gedauert hat.

   Was also nehmen wir aus der zurückliegenden Woche für die folgende Woche und für den Rest unseres Lebens mit? Dass es bei einer Marathonrede nicht nur auf das Mundwerk, sondern auch auf dass Schuhwerk ankommt. Und dass Sie froh sein können, dass diese Kolumne nun zu Ende ist.

 

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