Hinter uns liegt eine Woche,
in der der schreibende Mensch neidvoll auf den sprechenden Menschen
blickte. Während der - zumal für eine Kolumne - produzierende
Mensch in seinem Schreibfluss oft gehemmt wird, darf der sprechende
Mensch reden und reden und reden ...
Fast
elf Stunden sprach die demokratische Senatorin Wendy Davis,
50, in Austin / Texas, um damit ein geplantes Abtreibungsgesetz
zu Fall zu bringen. Offenbar hatte sich die dauerredende Triathletin
akribisch auf ihrhen Coup vorbereitet. Die drahtige, blonde
Frau trug bei hrem Redemarathon pinkfarbene Joggingschuhe der
Marke Mizuni (Model Wave River 16), die sich nun über (Obacht,
Wortspiel!) Absatzprobleme nicht beklagen können. Die Dinger
sind ein Renner.
Wir erwähnen das mit
den Laufschuhen nur deshalb, um zu zeigen, wie sich die Zeiten
geändert haben. Oder weiss jemand, mit welcher Turnschuhmarke
Joschka Fischer einst in den hessischen Landtag einzog? Fischers
Auftritt mag manchen alteingesessenen Parlamentarier ins Mark
getroffen und die Presse zu der Wortkreation "Turnschuh-Minister"
beflügelt haben, aber Marken interessierte damals kein Schwein.

Heute
würde die Sacher andersherum laufen, zumal bei einem Politiker,
dessen Partei sich die Verbesserung der Welt auf ihre Fahnen
geschrieben hat. Sofort würden sich die besten Rechercheure
der Republik daranmachen, die Turnschuhmarke (so die Pressestelle
nicht freiwillig herausrückt) zu ermitteln. Dann würden sie
überprüfen, ob die Latschen den gnadenlosen Gesetzen der Nachhaltigkeit
und Fair Trade entsprechen. Käme heraus, dass die Schuhe nicht
von nachwachsenen Polyurethan-Bäumen stammen oder dass bei der
Herstellung Kinderhände im Spiel waren, könnte sich der Held
gleich wieder vom Acker machen.
Aber
wir bewegen uns im Spekulativen. Halten wir lieber fest, dass
Frau Davis bei uns über die Warmlaufphase nicht herausgekommen
wäre. Der deutsche Parlamentarismus hat ein Instrument entwickelt,
der verhindert, dass Minderheiten mittels Dauerrede eine Entscheidung
so lang herauszögern können, bis sie zu Fall kommt. Die Redezeit
im Bundestag ist auf 15 Minuten begrenzt. Im Grunde eine feine
Sache, sonst würde sich Gerhard Schröder heute noch am Reichstagsmikrofon
festhalten und gegen seine Abwahl monologisieren. Interessant
ist, dass die Abgeordneten eine Technik entwickelt haben, die
die Redezeitbeschränkung wie Makulatur erscheinen lässt. Es
gelingt ihnen immer wieder, eine 15-Minuten-Rede zu halten,
an deren Ende man meint, dass sie elf Stunden gedauert hat.
Was
also nehmen wir aus der zurückliegenden Woche für die folgende
Woche und für den Rest unseres Lebens mit? Dass es bei einer
Marathonrede nicht nur auf das Mundwerk, sondern auch auf dass
Schuhwerk ankommt. Und dass Sie froh sein können, dass diese
Kolumne nun zu Ende ist.
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