Wenn wir recht verstanden
haben, wird die Bundestagswahl am 22. September am Fettnäpfchen
entschieden. Die Poliltiker springen wie wild um das kleine
Gefäss herum und schubsen sich gegenseitig ein bisschen. Sobald
einer aus Versehen ins Fettnäpfchen tritt, hebt ein grosses
Gejohle an: Ätsch! Wie doof ist das denn?

Wie
jede Redaktion, die etwas auf sich hält, hat auch unsere einen
Fettnäpfchen-Zähler. Ein eher schmieriger Typ, aber gut. Sein
Wort hat Gewicht, er ist der Notar, der am Ende der Sendung
aus der Kulisse kommt und im versiegelten Briefumschlag das
Ergebnis bringt. Nach seiner Zählung liegen Grüne und SPD in
Sachen Fettnäpfchen weit vorn. Die Grünen, weil sie allen Ernstes
ganz konkret in ihr Wahlprogramm geschrieben haben, wie sie
all die Wohltaten finanzieren wollen, die ihrer Partei eingefallen
sind. Die SPD, weil sie als Spitzenkandidat Peer Steinbrück
hat, der gerne Klartext spricht. Klartext ist die Grundvoraussetzung
dafür, um ins Fettnäpfchen treten zu können. Dazu später mehr.
Angeblich
stand der Fettnapf früher, in den Zeiten von Ackerbau und Viehzucht,
auf dem Küchenboden. Entweder gefüllt mit Stiefelfett oder als
Auffangtopf für das Fett, das von aufgehängten Würsten und Schinken
herabtropfte. Wer in so ein Näpfchen trat, verärgerte die Hausfrau.
Dann haderte sie mit der Sauerei, die da angerichtet worden
war, aber natürlich war da nichts mehr daran zu ändern. So ein
umgetretener Fettnapf, das ist wie verschüttete Milch.
Heute
hat jeder die Chance, jede Woche neu ins Fettnäpfchen zu treten.
Letzte Woche war es Sigmar Gabriel, weil er sich aufgeschlossen
gegenüber einem generellen Tempolimit auf Autobahnen zeigte.
Das ärgerte den Führenden in der Fettnäpfchen-Gesamtwertung,
Peer Steinbrück, so sehr, dass er seinem Parteichef widersprach
und so persönlich ein paar Fettnäpfchen gutmachte. Das Ergebnis
war allerdings für beide unterm Strich durchwachsen. Hängen
blieb, dass die SPD offenbar eine Partei der zwei Geschwindigkeiten
ist.

Mittlerweise
hat man den Eindruck, Steinbrück führe sein Näpfchen mit sich,
gewissermassen ein Fettnäpfchen to go. Das aber liegt nur daran,
dass inzwischen jeder konkrete Vorschlag eines Politikers Fettnäpfchen-Alarm
auslöst - es sei denn, er verspricht Freibier für alle. Keiner
hat das mehr verinnerlicht als Angela Merkel. Die Kanzlerin
schafft es mittlerweise, ganze Legislaturperioden ohne einen
angreifbaren Satz zu bestreiten - nach dem Motto: Wer sich nicht
bewegt, der kann schon in kein Fettnäpfchen treten. Und da die
Kanzlerin nun mal das Mass aller Dinge ist, ist sie mit schuld
daran, dass das Fettnäpfchen inzwischen auch dann auftaucht,
wenn einer bloss mal eine konkrete Idee äussert und unter den
80 Millionen Bundesbürgern sich einer finden lässt, der diese
Idee nicht so gut findet. Schon ist Fettnäpfchen-Zeit. Was das
über den Zustand unserer Demokratie aussagt, da bleiben wir
lieber im Ungefähren. Sonst kriegen auch wir noch unser Fett
weg.
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