Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (05. Mai 2013)
 
Ein Platz für Ficus benjamina
 

   Menschen, die weder etwas von Fussball, noch von Steuerhinterziehung verstehen, haben eine harte Woche hinter sich. Es ist ja nicht so, dass man nichts zu sagen hätte. Man macht sich schon so seine Gedanken. Über Gott, die Welt, den Kirchentag und darüber, ob Hape Kerkeling auch Willem-Alexander kann und wie viel Derrick der Horst Tappert am Stecken hatte. Aber interessiert das jemand?

   Vielleicht interessiert es Leute, die eine Ahnung von Fussball und von Steuerhinterziehung haben, nicht. Aber gehen Sie doch mal raus in die Natur, und sprechen Sie mit Pflanzen. Oder rein in die Natur, falls Sie an ihrem Arbeitsplatz Grünzeug hegen und pflegen. Pflanzen sind wahnsinnig gute Zuhörer. Man kann stundenlang auf sie einreden, ohne dass Sie Ermüdungserscheinungen zeigen.



   Ich habe diese Woche meinem Ficus benjamina das Du angeboten. Man kennt sich seit Jahren, ist mehr oder weniger miteinander verwachsen. Apropos wachsen: Suche ich ein Gespräch über Haarentfernung in Problemzonen, dann wende ich mich an den Kaktus meines Vertrauens. Man muss wissen, mit wem man es zu tun hat. Deshalb bin ich auch mit einer Beamtenlilie, dem Geschenk einers befreundeten Oberstudienrats, noch nicht so eng. Ist mir zu grün hinter den blättern.

   Grundsätzlich sind Büropflanzen wie Arbeitslkollegen. Blindes Vertrauen wäre fehl am Platz. Nicht nur ein leckgeschlagener Untertopf kann ein Grund dafür sein, dass eine Büropflanze nicht dicht hält. Viele verraten, ohne mit der Wurzel zu zucken, mehr über ihren Besitzer und dessen Tätigkeit, als dem lieb sein kann. In ihrer Diplomarbeit hat die Kunststudentin Saskia Groneberg herausgefunden, dass Bürpflanzen wahre Plaudertaschen sind. Wildspriessendes Grünzeug über der Hängeregistratur spricht für einen öden Job.

   Wundern SIe sich also nicht, wenn eine Brombeerhecke hinterm Schreibtisch Ihren Chef auf die Palme bringt. Im Übrigen, so die junge Frau, seinen Büropflanzen als Symbole der Freiheit zu verstehen. Sie dürfen am Arbeitsplatz das tun, was der Lohnsklave nicht darf, sich hemmungslos entfalten.

   Gilt natürlich nicht für uns Redakteure. Mein Schreibtisch ist eine Mischung aus Garten Eden und Streuobstwiese. Auch wenn mein Chef das papierlose Büro propagiert, ich halte in meinem Blätterwald die Stellung und weiss oft nicht, ob ich noch atme oder schon auf Fotosynthese umgestellt habe. Solange ich aber regelmässig meinen Verleger mit Ablegern eindecke, ist mir um meine Zukunft nicht bange.

   Der Rollrasen meiner Kollegen im Sport ist so dicht, dass sie nicht mehr zum VFB-Training müssen, um das Gras wachsen zu hören. Mitarbeiter, bei denen Hopfen und Malz verloren schien, bauen jetzt welchen an.

   Muss aufhören. Eben schwingt mein Chef "Konferenz" rufend, an seiner Lieblingsliane durch den Laden. Ich finde seinen Leopardentanga ja albern, aber ihm gefällt's.

 

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