Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (07. April 2013)
 
Auf der Flucht
 

   Stichwort Steueroasen. Unsere Redaktion, stets um Ausgleich bemüht, will nicht voreilig in den Chor der Selbstgerechten einstimmen. Sie will nicht den Stab über jene brechen, die ihre Kohle auf den Cayman Islands, den britischen Jungferninseln oder auf den Seychellen gebunkert haben. Sie will auch jenen Lesern gerecht werden, die in diesen Tagen über eine Selbstanzeige nachdenken.

   Lassen Sie uns unsere kleine Sonntagspredigt mit dem folgenden Gedanken beginnen: Ist der gemeine Steuerflüchtling nicht auch nur ein Mensch, ein vom Fluchtreflex Getriebener? Wenn die Hatz auf ihn so weiter geht, fürchten wir, bringt er nicht nur sein Geld ausser Landes, sondern auch sich selbst. Dann unterscheidet ihn von den Boatpeople nur, dass er seine Odysee statt auf einem armseligen Klapperkahn auf einer 100-Meter-Yacht antritt.

   Hand aufs Herz. Sind wir nicht alle Flüchtlinge, gefangen im Meer des Lebens? Wie oft haben wir uns in dieser Kolumne ins Zotenhafte geflüchtet. Nicht um des Geldes wegen, wo denken Sie hin? Unsere Beweggründe waren niederer Natur: Uns fiel einfach nichts ein. Spätestens seit der amerikanischen TV-Serie um den zu Unrecht des Mordes an seiner Frau beschuldigten Arzt Doktor Richard Kimble aus den Sechzigern dürfte klat sein, dass eine Flucht kein Schuldeingeständnis ist.



   Wir, die wir an das Gute glauben, sind uns sicher, dass bestimmt auch ein paar ehrbare Betrüger im Heer der Steuerflüchtige zu finden sind, die nach dem Devise "Geld verdirbt den Charakter" den Staat und seine Bürger erst gar nicht in Versuchung bringen wollten.

   Wir täten all den Oligarchen, Waffenhändlern, Drogendealern, Finanzjongleuren, Diktatoren und deutschen Millionären unrecht, wenn wir ihnen pauschal Gier unterstellen, nur weil sie ihr Schwarzgeld in Übersee in Sicherheit gebracht haben. Im einen oder anderen Fall mag das zutreffend sein. Aber darf man alle über einen Kamm scheren?

   Wer weiss, vielleicht gibt es auch freundliche Drogendealer und fürsorgliche Waffenschieber, die die ihre Barschaft nur für ihre Kinder und Kindeskinder ausser Landes schaffen wollten, damit die später einmal keine staatliche Stütze brauchen oder ihren Lebensunterhalt nicht mit verbrecherischen Drecksgeschäfte bestreiten müssen.

   Was würde der Staat auch machen mit dem ihm entgangenen Zaster? Das fragt sich nicht nur die FDP, das fragen auch wir uns. Gut, er könnte damit Haushalts- und Strassenlöcher stopfen, die eine oder andere unfallträchtige Landstrassenkreuzung entschärfen und zum Kreisverkehr umbauen, Kindertagesstätten einrichten, ein bisschen was an Witwen und Waisen abgeben. Aber macht das die Menschen wirklich glücklich?

   Die entscheidene Frage ist doch die: Würde der Staat die wirklich substanziellen Dinge im Leben anpacken und die Spritsteuer senken? Wir fürchten, das würde er nicht tun.

 

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