Nach dieser nervenaufreibenden
Woche ist eines sonnenklar: Der Frühling ist nicht mehr das,
was er einmal war. Man zittert sich in den Frühherbst. Und von
den Zyprern gibt's beim nächsten Eurovision Song Contest wieder
mal keine zwölf Punkte für Deutschland.
Schade
eigentlich. Doch als Deutscher hat man es nicht leicht. Das
Image im Ausland habe gelitten, heisst es. Man hört so einiges.
Werdende Mütter in Nikosia würden den Vornamen Wolfgang und
Angela von ihren Wunschlisten streichen. Manch ein verschreckter
zyprischer Kleinsparer will ganz aufs Taufen verzichten und
die Neugeborenen lieber durchnummerieren, anstelle von Windeln
die fransigen Bankeinlagen verwenden und die eingesparten Buchstaben
in heimisches Olivenöl einlegen für die Fastentage nach Ostern.
Die zyprische Fussballnationalmannschaft werde in ihrer Verzweiflung,
inspiriert von den jüngsten Geizattacken von Jogi Löw, nicht
nur ohne Stürmer spielen. Sondern gleich auch ohne störende
Pfosten, Latten, Fanpfeifen und den sowieso meist abwesenden
Torwart.

Bloss:
So ein Stürmer, was macht der dann? Bleibt halt sitzen auf seiner
Bank. Oder davor. Oder wird umgeschult. Zum Bankautomaten (kratzfest,
tränenabweisend) - oder zum minimalistischen Hitler-Bärtchen-Maler.
Weil da vielleicht noch was geht. In der Kunst. Ansonsten herrscht
auf der schönen, bei Altphilologen und russischen Grosssparern
stets so beliebten Mittelmeerinsel die handelsübliche Alternativlosigkeit.
Wer
sich allerdings heute noch auf die Kultur verlässt, der ist
verlassen. In Brüssel, Berlin und Klein-Rieslingen ergötzt man
sich an der monotonen Poesie von Börsenindizes und Quartalsberichten,
nicht aber an den Epen Homers. Keinen Eurokraten juckt es mehr,
dass an der Küste des Mittelmeers dereinst die Wiege unseres
Kontinents stand und dem Mythos nach Aphrodite, die Göttin der
Liebe, der schäumenden Brandung entstieg. Wenn aber in diesen
Stunden ein Zyprer aufs Meer hinausschaut, wird er am Horizont
anstelle der Göttin lediglich eine germanische, den Daumen senkende
Furie erblicken, die der deutschen Kanzlerin zum Verwechseln
ähnlich sieht - und selbst zu schäumen beginnen.

Immerhin
findet unser Finanzminister in diesen frostigen Tagen wärmende
Worte, zieht Vergleiche zu seiner wettbewerbsorientierten Schulzeit:
"Wenn man manchmal bessere Ergebnisse hat, sind die anderen,
die mehr Schwierigkeiten haben, auch ein bisschen neidig",
erzählt Wolfgang Schäuble im Fernsehen mit einem inwendigen
Schmunzeln. Also: Alles halb so wild. Wer die Besten, die Schnellsten
in Europa sind, wissen "die anderen" spätestens jetzt.
Man muss es einfach hinnehmen. Dass die Konjunktur in diesem
Land wieder Gas gibt und die eigenen Menschen rechts und links
überholt. Dass der Vettel bei Gelb rüde losrast und genau deswegen
gewinnt. Dass in einem Münchner Gericht nur die schnellsten
einen Platz bekommen. Und nicht etwa die anderen.
Schade
eigentlich.
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