Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (24. März 2013)
 
Weg mit dem Dreck
 

   Frühling: Spinnweben tanzen ein klassisches Balett, paaren sich mit Staubfäden zu einer Inszenierung kultivierter Verwahrlosung. Speisereste kleben an Küchenschränken, durch halb blinde Fenster blinzelt fahl die Sonne. Menschen wachen auf und fragen sich: Was jetzt? Gibt es ein Leben nach dem Winter? In die aufsteigende Melancholie mischt sich der drängende Wunsch, neu zu beginnen, eine Blume zu pflücken, mit dem Fahrrad zu einer schönen Frau z fahren oder endlich einen weinroten Anzug zu kaufen. Dann fällt der Blick auf dieses reptilienhafte Wesen da in der Ecke, das seit Monaten in einer Kauerstellung verharrt und seinen Rüssel um sich gelegt hat. Wie kommt es in die Wohnung? Ist es gefährlich? Was bedeutet die Aufschrift Siemens auf seinem Panzer? Erinnerungsfetzen verbinden sich zu dem Begriff Staubsauger. Irgendwann einmal fuhr man mit ihm durch die Wohnung und schickte Kleintiere, Speisereste und Dreckpartikel in die verdiente Hölle des Staubbeutels.



   Damit beginnt das uralte Ritual des Frühjahrsputzes: Menschen erwecken ihren Staubsauger zum Leben, streicheln versöhnlich über die Wuscheln ihres lange vernachlässigten Wischmops und lassen Scheuermilch in das Waschbecken tropfen, um den Kampf der Chemie mit Haaren und Resten von Zahnseide zu beobachten. Ganz Europa verleiht sich neuen Glanz. In den Banken werden Bilanzen aufpoliert, Kleinsparer blicken sehnsüchtig zu den Wolken aus Goldstaub, die sich über ihrem Kopf verflüchtigen, um am Ende vom Finanzminister eines südlichen Krisenstaates aufgesaugt zu werden. Im Vatikan gehen die Bediensteten mit riesigen Besen durch die Sixtinische Kapelle, Michelangelos Gottvater deutet mit ausgestrecktem Finger auf die Reste des Konklaves: Zerknüllte Stimmzettel, heimlich eingeschmuggelte Schokoriegel und jene Brandfackeln von Lazio Rom, die Rauch in vier verschiedenen Farben erzeugen können.

   Im Berliner Flughafen kann endlich jene Putzkolonne befreit werden, die im Herbst bei dem Versuch, die defekte Rauchgasanlage vor den Blicken der Kontrolleure zu verstecken, eingemauert worden war. Jauchzend brechen sie aus ihrem Verliess und stauben ab, was das Zeug hält. Dabei werden einige tragende Mauern zum Einsturz gebracht. Was nicht weiter schlimm ist, weil sie eh nichts zu tragen haben. Allerdings dringen Reste von Essigreiniger in die empfindliche Computeranlage ein und vergeben Frühbucherrabatte bis ins Jahr 2034.



   Ameisenhaft ist der Prozess frühlingsbedingter Selbstreinigung bei der FDP. Der jungenhafte Vorsitzende drückt einen Schwamm mit Antikalklauge über dem Kopf seines knarzigen Parteifreundes aus und schwemmt letzte Reste liberalen Gedankenguts aus dem Parteikörper. Dann wettert er gegen jene Fuzzis, die sich vom Staat alimentieren lassen und beim Putzen runde Ecken machen. Und wir? Wir starren seit Jahren auf diese Fingerabdrücke auf unserem Bildschirm. Aber auch damit ist jetzt Schluss!

 

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