Deutschland, kein Wintermärchen.
Mit Gasreinigern bewaffnet starrt man durch schlierige Fenster
ins nasskalte Februar-Grau, derweil aus der Mikrowelle ein leises
Wiehern erklingt. Schmutz und Intransparenz, wohin man auch
blickt. Die zerfurchten Strassen sehen aus wie nach einem Meteoriten-Regen.
Oder war es wieder einer dieser fürchterlichen Shitstorms? Eine
missglückte Strompreisvollbremsung von Peter Altmaier?
Unklar.
Jedenfalls tun sich menschliche Abgründe auf. Überall. So wie
auch in ungefähr jeder zweiten Buchbesprechung von Elke Heidenreich
("Auflesen!"). Der Staubwedel der deutschen Literaturkritik
feierte letztens den 70. Geburtstag. Sauber! Dank Heidenreich
weiss jeder Sofakrümel, wie man das Alterswerk von Günter Grass,
Rainer Brüderle und Martin Walser einer ordnungsgemässen Lektüre
zuführt. Mit Hilfe eines handlichen Dampfreinigers wird jede
Seite so lange heiss abgestrahlt, bis alle phallusähnlichen
Konsonanten auf Normalmass geschrumpft sind. Danach liest sich
alles so schwammig wie der Koalitionsvertrag in Niedersachsen
oder die allgemeinen Geschäftsbedingungen von Amazon.

Höchste
Zeit also für einen seelischen Frühjahrsputz. Doch bevor man
nun halbherzig mit dem Bürsten und Ledern beginnt, um alsbald
frustriert das Putztuch zu werfen, hier ein Ratschlag. Wer porentiefe
Sauberkeit will, gleichgültig ob im Untersuchungsausschüssen,
Zeitarbeitsverträgen, Tiefkühltruhen oder Stasiakten, darf sich
von polierten Oberflächen nicht täuschen lassen. Manchmal hilft
nur noch die Chemiekeule. Es dürfte sich mittlerweile auch bis
ins Schloss Belevue herumgesprochen haben, dass allein mit verunreinigten
Ohrstäbchen und mildseifigen Betroffenheitsreden nichts gegen
mordsbraune Verfärbungen in unserer Gesellschaft auszurichten
ist. Auch ist nicht jeder Rotweinfleck ein Fauxpas, dem man
mit einer Prise Salz und ein wenig Scheuern beikommt, vor allem
nicht, wenn sich der Fleck auf der eigenen Leber befindet. Ein
vermehrter Einsatz von Mineralwasser könnte durchaus helfen,
auch nach der Fastenzeit.
In Italien
schwören viele neuerdings auf Hygiene-Tipps aus der guten alten
Zeit von Oma Berlusconi: Eine schmierige Hand wäscht die andere
- und in Rom und WC ist alles o.k. Die Selbstreinigungskolonne
der hiesigen CDU empfiehlt allerdings bei hartnäckigen Verfilzungen
alter Ministerpräsidentensessel ein brutalstmögliches Ausstrobln
und Weghaukn. Doch Vorsicht! Beim Lüften alter Aktenordner drohen
Kontaktallergien (Mappusiasis vulgaris) mit Erinnerungsekzemen
und Mitläufer-Quaddeln.
Die Lebensmittelindustrie
warnt hingegen vor der Niedlichkeitsfalle beim Teller-Leerputzen.
Bloss weil einem etwas mit kullernden Augen aus dem Kantinengulasch
anguckt - Ponys, Seepferdchen oder rumänische Tanzbären -, heisst
es noch lange nicht, dass man es nicht im Verdauungstrakt billig
entsorgen kann. Denn: Nicht essen ist auch keine Lösung. Let's
putz!
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