"Es ist spät, geh bitte
ins Bett, ich möchte jetzt meine Ruhe", sagte ich zu meiner
Tochter (12). "Aber natürlich", säuselt sie und geht
in ihr Zimmer. Ist das nicht schön? Man sagt etwas, und es wird
gemacht. Man wird verstanden. Ich bin positiv überrascht. Kinder,
die aufs Wort gehorchen - das gibt's doch eigentlich gar nicht
mehr. Früher, ja, da haben die Kindern ihrhe Eltern noch gesiezt.
Da herrschte noch Zucht und Ordnung. Heute hingegen ist jedwede
Form des Gehorsams nur noch irritierend: Was ist bloss mit meiner
Tochter los?
Egal, ich muss jetzt noch
ein paar SMS verschicken. Dazu brauche ich absolute Ruhe. Ich
tippe die Kurznachrichten nämlich nicht in Windeseile in mein
Handy ein, wie das Kanzlerin Merkel so wunderbar kann. Ich nutze
die Sprachsteuerung, ich spreche in mein Mobiltelefon, als würde
ich telefonieren. Frau Merkel würde das bestimmt auch gerne
machen, aber die ist ja ständig in Sitzungen. Da kann sie nicht
in ihr Händie murmeln, das wäre unhöflich. Mache ich beim Sprechen
eine längere Pause, fängt das Handy an, meine Worte zu verarbeiten.
Das dauert ein bisschen, das läuft übers Internet. Ich stelle
mir vor, dass das Gesprochene in irgendein Billiglohnland geschickt
wird, wo eine unbekannte Schreibkraft es dann zu Papier bringt
und mir zurückschickt. Wahrscheinlich läuft es anders, aber
ich interessiere mich nicht so für Technik. Mein Mobiltelefon
soll ruhig auch seine Geheimnisse haben.

Ich
diktiere eine SMS an meine Frau. Die macht sich gerade mit Freundinnen
einen schönen Abend, will aber sicher wissen, wie es den Kindern
geht - und vielleicht sogar, was ihr Mann so treibt. "Hi,
hier spricht dein Mann", sage ich dem Gerät. Ein Anfang,
gewiss, aber eigentlich ein blöder Text. Meine Frau sieht doch,
von wem die Nachricht kommt. Ich ärgere mich, aber mein Händie
rotiert bereits und macht mir folgenden Vorschlag: "Hei,
Hirsch bricht dein Mann." Na toll. Wieder mal hat mich
das Ding nicht richtig verstanden. Vielleicht liegt es an meinem
Dialekt, der meinem Deutsch eine gewisse Breite und sehr viele
Sch-Laute verleiht. Sch-Laute mag die Sprachsteuerung nicht,
da bricht sie.
Anderseits: Respekt,
was die unbekannte Schreibkraft aus meinem blöden Text gemacht
hat. Aus einem völlig überflüssigen Anfang ist eine rätselhafte
Nachricht geworden, die ganz sicher das Interesse meiner Frau
wecken wird: Liefert sich mein Mann gerade einen Revierkampf
mit einem Hirsch? Misst er sich gar mit einem Hai? Oder hat
er nur ein bisschen zu viel getrunken? Ich sehe schon die drei
Fragezeichen vor mir, die sie mir zurückschicken wird und drücke
grinsend auf "Senden".
Das
Grinsen verabschiedet sich rasch aus meinem Gesicht, als meine
Tochter auftaucht. Putzmunter und noch komplett angezogen. Natürlich
ist sie nicht ins Bett gegangen, natürlich hat sie nicht auf
mich gehört. Ich seufze. Schon toll, was Händies heutzutage
alles können. Aber dei Sprachsteuerung bei Kindern hat früher
besser funktioniert.
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