Bis vor kurzem war es für
eine Frau in den besten Jahren (Jahrgang 45 und älter) ein Leichtes,
erotische Bekanntschaften zu machen. Man ging bei einer Geschäftsreise
abends in die Hotelbar, wo man dem Pianisten dezent einen Zehner
in den Ausschnitt steckte, damit er "Sieben Fässer Wein"
von Roland Kaiser aus den Tasten presste. Dann bestellte man
einen vollmundigen Riesling aus der Pfalz, ging zuzelnd von
Tisch zu Tisch, erzählte hier einen klebrigen Männerwitz, starrte
dort auf eine behaarte Männerbrust und verteilte ordentlich
Tanzkarten.
Immer sassen dort einsame
Männer, Journalisten auch, die viel zu jung waren, um zu wissen,
was eine Tanzkarte ist, die aber verzweifelt genug dreinblickten,
um mit einer im Holzfass gereiften Frau, die im Schummerlicht
wie Rainer Brüderle mit burgunderrotem Lippenstift aussah, aufs
Zimmer zu schwofen. Niemand nahm daran Anstoss. Nicht einmal
Claudia Roth. So war das Leben in diesem liberalen Land: Wein,
Weib und Gesang bis morgens um halb drei.
Doch
seit der Niedersachsenwahl ist alles anders. Überall wird schmutzige
Spitzenwäsche gewaschen, lauern Sexismusvorwürfe und ekelhafte
Enthüllungen. Seit US-Forscher herausgefunden haben wollen,
das Männer sich nach Benutzung einer Toilette nur äusserst selten
die Hände waschen, warnen Hinweisschilder unbedarfte Frauen
vor dem Schütteln oder Streicheln aufdringlicher Herrenhände,
auch wenn sie ein derartiges Exemplar - rein zufällig - auf
ihrem Oberschenkel oder an der Hüfte entdecken. Alarmierte Ärzte
raten, festgesaugte Männerfingern wie tropischen Blutegeln mit
brennenden Zigaretten gehörig einzuheizen. Sie fallen dann von
allein ab. Das Bedräufeln mit Zitronensaft oder Salz hilft dagegen
nicht. Nichtraucherin Angela Merkel hat aus diesem Grund beschlossen,
bis zur Bundestagswahl immer ein Feuerzeug in ihrer Handtasche
mitzuführen, falls wieder mal ein FDP-Abgeordneter aus der Toilette
im Reichstag tapst, um sie schnurstracks wegen einer Zweitstimme
anzugrapschen.
Die Verwirrung um den
politisch korrekten Umgang der Geschlechter untereinander beschäftigt
inzwischen auch die Sprachforscher. Sie empfehlen das sofortige
Durchleuchten aller Kinderbücher hinsichtlich verdächtiger Wörter
mit sexistischem oder rassistischem Beiklang. "Neger",
"Zigeuner" oder "Brüderle" stehen ab sofort
auf dem Index. Andere unter strenger Beobachtung stehende Begriffe
wie "Männer" oder "Ironie" können, falls
sie nicht allzu verschmutzt und verschwitzt sind, bei 95 Grad
reingewaschen werden.
Es sind ernste
Zeiten. Als Mann weiss man nicht mehr, wie man sich die Hände
und den Mund reinwaschen soll. Oder ob man eine Tanzkarte von
einer älteren, frivolen Dame annehmen soll, auch wenn man garnicht
weiss, was das ist und ob das Wort "Tanzkarte" nicht
auch schon längst verboten ist. So bleibt einem nichts anderes
übrig, als heimlich RTL zu gucken, erst recht jetzt, nach dem
Dschungelcamp. Die trauen sich nämlich noch was. Sie sind die
Einzigen.
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