Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (20. Januar 2013)
 
Kamera läuft
 

   Videoüberwachung am Arbeitsplatz? Ich bin dafür. Je mehr Kameras, umso besser.

   Seit einiger Zeit habe ich das Gefühl, dass meine Chefs mich ignorieren. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich glaube nicht, dass sie etwas gegen mich haben. Sie grüssen mich im Aufzug. Sie kennen meinen Namen. Man könnte von friedlicher Koexistenz sprechen. Aber ich habe das Gefühl, dass sie mich nicht auf dem Radar haben.

   Ich sollte mich nicht beschweren. Mein Gehalt wird pünktlich auf mein Konto überwiesen. Ich habe einen Schreibtisch mit eigenem Telefon und zwei Zimmerpflanzen, einen Stuhl mi Rückenlehne, einen Computer mit Bildschirm und Tastatur, und in Rufweite einen Heizkörper, der manchmal komische Geräusche von sich gibt, als wolle er mit mir sprechen. Was mir aber fehlt, ist die Zuwendung meines Arbeitsgebers, hin und wieder ein Briefchen aus der Chefredaktion, die Aktennotiz eines Ressortleiters. Ich verlange nicht viel. Es müsste nicht mal freundlich sein. Schon die Androhung einer Abmahnung würde mir das Gefühl geben, dass mein Tun Beachtung findet.

   Immer öfters muss ich an den Mann denken, der zum Arzt kam und sich beklagte, dass seine Umwelt ihn nicht mehr wahrnehme. "Der Nächste, bitte", sagte der Arzt. Man kommt auf komische Gedanken, wenn man glaubt, im toten Winkel seiner Chefs zu arbeiten. Ich habe mir überlegt, ob ich auf Facebook Bilder von wilden Sex- und Saufpartys posten soll, um die Aufmerksamkeit meines Arbeitsgeber wiederzuerlangen. Aber woher die Bilder nehmen?

   In meiner Not habe ich mich an den Betriebsrat gewandt. Ein paar Kameras an der Decke würden mir den Glauben an die Wichtigkeit meiner Arbeit und meiner Person wiedergeben. Gern auch versteckte. Ich würde mich wieder regelmässig rasieren und die Haare waschen. Kameras gingen nicht, sagt der Betriebsrat. Das verstosse gegen den Datenschutz.

   Der Datenschutz kann mir gestohlen bleiben. Ich habe nichts zu verbergen. Alles, was ich zu sagen habe, erscheint hier in dieser Kolumne. Mehr gibt es nicht zu wissen. Mehr weiss ich selbst nicht.

 

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