Videoüberwachung am Arbeitsplatz?
Ich bin dafür. Je mehr Kameras, umso besser.
Seit
einiger Zeit habe ich das Gefühl, dass meine Chefs mich ignorieren.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich glaube nicht, dass
sie etwas gegen mich haben. Sie grüssen mich im Aufzug. Sie
kennen meinen Namen. Man könnte von friedlicher Koexistenz sprechen.
Aber ich habe das Gefühl, dass sie mich nicht auf dem Radar
haben.
Ich sollte mich nicht beschweren.
Mein Gehalt wird pünktlich auf mein Konto überwiesen. Ich habe
einen Schreibtisch mit eigenem Telefon und zwei Zimmerpflanzen,
einen Stuhl mi Rückenlehne, einen Computer mit Bildschirm und
Tastatur, und in Rufweite einen Heizkörper, der manchmal komische
Geräusche von sich gibt, als wolle er mit mir sprechen. Was
mir aber fehlt, ist die Zuwendung meines Arbeitsgebers, hin
und wieder ein Briefchen aus der Chefredaktion, die Aktennotiz
eines Ressortleiters. Ich verlange nicht viel. Es müsste nicht
mal freundlich sein. Schon die Androhung einer Abmahnung würde
mir das Gefühl geben, dass mein Tun Beachtung findet.
Immer
öfters muss ich an den Mann denken, der zum Arzt kam und sich
beklagte, dass seine Umwelt ihn nicht mehr wahrnehme. "Der
Nächste, bitte", sagte der Arzt. Man kommt auf komische
Gedanken, wenn man glaubt, im toten Winkel seiner Chefs zu arbeiten.
Ich habe mir überlegt, ob ich auf Facebook Bilder von wilden
Sex- und Saufpartys posten soll, um die Aufmerksamkeit meines
Arbeitsgeber wiederzuerlangen. Aber woher die Bilder nehmen?
In
meiner Not habe ich mich an den Betriebsrat gewandt. Ein paar
Kameras an der Decke würden mir den Glauben an die Wichtigkeit
meiner Arbeit und meiner Person wiedergeben. Gern auch versteckte.
Ich würde mich wieder regelmässig rasieren und die Haare waschen.
Kameras gingen nicht, sagt der Betriebsrat. Das verstosse gegen
den Datenschutz.
Der Datenschutz kann
mir gestohlen bleiben. Ich habe nichts zu verbergen. Alles,
was ich zu sagen habe, erscheint hier in dieser Kolumne. Mehr
gibt es nicht zu wissen. Mehr weiss ich selbst nicht.
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