Bei einer Rede, habe ich
diese Woche in meiner Zeitung gelesen, entscheiden die Zuhörer
in den ersten 30 Sekunden, ob sie gewillt sind, ihr zu folgen.
Oder ob sie abschalten, sich ihrem Smartphone widmen oder die
Umgebung, je nach sexueller Orientierung, nach einem attraktiven
Weibchen oder einem ebensolchen Männchen absuchen. Ich fürchte,
bei einem Artikel bleibt kein Mensch so lang am Ball. Da muss
schon früher was passieren, zum beispiel jetzt:
Mit
dem Alter, meine Damen und Herren, setzt nicht nur der Mensch
Pfunde an. Auch das in Paris gelagerte Urkilogramm und seine
an die vierzig Kopien sind von diesem Naturgesetz offenbar nicht
ausgenommen.
Die von der Frau Kanzlerin
gern zitierte schwäbische Hausfrau würde wohl annehmen, dass
man die Dinger hätte halt mal abstauben müssen. Ich persönlich
tendiere eher zur Ansicht, dass es den Gewichten schlichtweg
an Bewegung fehlt. Wer den lieben langen Tag herumliegt, braucht
sich nicht zu wundern, wenn er zulegt.
Leider
mögen sich zwei mit der Materie befasste wissenschaftliche Spassbremsen
mit diesen anschaulichen und volksnahen Erklärungen nicht anfreunden.
Peter Cumpson und Naoko Sano von der britischen Newcastle Universität
führen im Fachmagazin "Metrologica" eine andere Theorie
ins Feld, die allerdings so staubtrocken ist, dass man sie weder
in eine Rede noch in einen Text einbauen kann. Schuld an der
Gewichtszunahme, so die Forscher, seien kohlenstoffhaltige Verbindungen
und in der Laborluft herumschwirrende Quecksilberteilchen, die
sich im Lauf der Jahre mit dem Metall des Urkilogramms und dem
seiner Kopien verbunden hätten.
Ich
bin am Ende meiner Ausführungen angekommen und will, dem Leitfaden
für Redenschreiber folgend, mich nicht ohne einen zünftigen
Schluss vom Acker machen. In diesem Sinne: Reden ist Silber,
Schweigen ist Gold und das Urkilogramm aus einer Platin-Iridium-Legierung.
|