Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (09. Dezember 2012)
 
Grauenerregendes Geruchsinferno
 

   Viele Menschen stürzen sich ja, weil sie nichts Besseres zu tun haben, aus dem All auf die Erde und lassen sich dafür von einem österreichischen Brausehersteller bezahlen. Wären sie oben geblieben, hätten sie in der Adventszeit ein gleichermassen faszinierendes Spektakel erlebt. Ein Dunstschleier aus Zimt, Anis, Bratwurst und Schweiss steigt aus Mitteleuropa auf eine Höhe von bis zu 12000 Kilometern. Brause-Abenteurer, Schweine im Weltall und die Heizer in den nordkoreanischen Weltraumstationen klagen über Übelkeit, Wutattacken und Heisshunger.



   Die Wolke entweicht Glühweinkesseln, Garküchen und aufgerissenen Mündern - ein Gruchsinferno, dessen Quelle die Weihnachtsmärkte sind, die sich ausdehnen wie Hausschwamm und schon an die entlegensten Vororte heranrücken. Wer dort arglos die Tür öffnet, wird von einer Gewürznelke umarmt, die meistens Vreni Rüttiman heisst und aus der Schweiz kommt. Will er sich an einer Thüringer Wurst (aussen schwarz, innen kalt) festhalten, werden ihm von einem maulfaulen bulgarischen Lohnsklaven 6,50 Euro kassiert.

   Dennoch muss man den Weihnachtsmarkt als Teil der Adventsraserei ansehen. Wer einige Regeln beachtet, steigert die Überlebenschancen. In den Glühwein sollte man vor dem ersten Schluck eine Aspirin-Tablette samt Verpackung werfen. Die Hülle wird zersetzt, und der Inhalt schäumt lustig auf, wenn er in Kontakt mit Heissgetränkemischungen des Typs "Santa Klaus Winterhölle" oder "Finnischer Totensonntag" kommt.

   Wer nach diesem Horsd'oeuvre von peristaltischen Explosionen im Verdauungstrakt vorwärtsgetrieben wird und nicht weiss wohin, drängt sich an einen runden Tisch, der von grölenden Zimtstangen mit Zipfelmützen besetzt ist. Ein Klumpen Früchtebrot im Ohr schützt vor den Schockwellen des Liederkranzes Wahnfried, der sich in der Nähe formatiert hat. Tritt der Besucher beim Weitgehen in etwas Weiches, ist dies eine aufgedunsene Schokomarone oder eine Lederhose samt Inhalt. Am schönsten gluckert es an den reservierten Tischen der Insolvenzberater. Unter einer Figur des heiligen Antonius, des Schutzheiligen der Totengräber, wird eine Melange aus Weihwasser und Château Haut-Bailly ausgeschenkt. Die Bedienung schüttelt ein wenig Goldstaub über die leutselige Rund und bekommt ein paar Hunderttausend Euro Trinkgeld, wenn sie ihre Kittelschürze lockert. Drei Stunden später werden die Titankrawatten gelöst. Höhepunkt der Gaudi: In einem Schmalzgebäck den versteckten Pleitier des nächsten Jahres zu finden. Wer's schafft, muss auf dem Kopf stehend einen Hamburger vom Kobe-Rind essen.



   Wer das alles nicht mehr aushält, flieht in die Einsamkeit der Berge, wird dort von einem Skilehrer aufgesammelt und muss Slalom um Zimtstangen fahren. Spätestens dann wird er ohnmächtig und schläft durch bis Mai. Wenn er aufwacht, scheint die Sonne. Ein wenig Zimtduft liegt allerdings noch immer in der Luft.
 

 

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