Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (02. Dezember 2012)
 
Russenpeitschen und Landlust-Gerten
 

   Schlechte Nachrichten sind die besten Nachrichten, so lautete einst der deutsche Redakteursgruss. Die meisten Schreiber trugen sandgestrahlte Peter-Scholl-Latour-Frisuren - und tippten keine Zeile, wenn nicht mindestens eine blutige Revolution im Gange war. Korrekturprogramme gab es damals nicht. Als Faustregel bei der Kommasetzung galt: Pro Toter ein Beistrich, pro Bekennerschreiben ein Semikolon. Das war zu einer Zeit, als man hinter dem Begriff Internet noch eine terroristische Untergrundorganisation vermutete und für Leitartikel in der Länge dieser Glosse ein Päckchen Roth-Händle in Flammen aufging.



   Tempi passati. Angesichts der jüngsten Hiobsbotschaften aus der Medienbranche benötigt man als Journalist zwei Schachteln eines starken Antidepressivums (aus dem Internet), um das Zittern des kleinen Fingers über der Returntaste zu unterbinden. Angstschweisstropfen lassen die Tastaturen schneller korrodieren als das Vertrauen in unsere schmierige Adventskalenderindustrie.

   Da hilft nur noch analoges Jammern. Oder eine gute Geschäftsidee. Wer weiss, möglicherweise sollte man als Lohnschreiber auf teure Kommata und Vokale ganz verzichten. Die Papierkosten würden gesenkt, schliesslich wären die Artikel kürzer und attraktiver gerade für Leserfaulis und Migranten. Die Überschrift in der "Bild"-Zeitung könnte so lauten: "Dtschld rstt sch fr Rssnptsch", was näher dran ist als diese lasche, von allen überflüssigen Ressentiments gereinigte Zeile "Deutschland rüstet sich für Russenpeitsche". So was zieht doch nicht.



   Noch so ein Gedanke: Gut möglich, dass gerade jüngere Menschen lieber Zeitungen lesen als die Gebrauchsanleitung für ihr neues Smartphone, wenn sie auf diesem schmackhaften Esspapier gedruckt wäre. Das gab es früher beim Bäcker. Dann würden die jungen Hüpfer morgens auf die anstrengende Zubereitung eines Birchermüslis verzichten. Und stattdessen nach der flüchtigen Lektüre einen Leitartikel knuspern oder eine Seite drei um irgendwelche Griechenlandhilfen in ihren Milchkaffee tunken. Lecker. Die Menschen haben ja immer weniger Zeit für das ganze Blabla, heisst es. Andererseits wäre das auch schade um die vielen liebevoll recherchierten Texte. Zeitungsartikel sind doch keine eiskalten Armutsberichte, die man sich von billigen FDP-Korrekturprogrammen in eine kaminwarme Landlust-Schwadronage kaputtredigieren lässt.

   So, das musste mal geschrieben werden, koste es noch so viele Vokale. Und jetzt? Keine Ahnung. Auf jeden Fall mal ... weitertippen. Und abwarten, was kommt. Godot. Ein riesiges, gefrässiges schwarzes Loch. Oder ein Hobbit. Einfach mal schwitzend in die druckergeschwärzte Zukunft schauen, panisch vibrierend wie ein ranziges Lachshäppchen auf einem Pausentablett beim Weltklimagipfel in Doha, bevor der Bundesumweltminister Peter Altmaier erbarmungslos zuschlägt. Der kennt ja kein Erbarmen. Schade nur, dass dort keine essbaren Zeitungen ausliegen.
 

 

Zurück