Nachahmen bringt die Menschheit
voran. Deshalb begrüssen wir es zutiefst, dass viele Büromenschen
in Deutschland diese Woche auf ihren Schreibtisch gestiegen
sind und den freien Fall mit Überschallgeschwindigkeit geübt
haben.

Von
mehrtägigen Seminaren zu Themen wie "Leben und Sterben
lassen - Sofortmassnahmen am Arbeitsplatz" oder "Lunge
komm bald wieder - Brandschutz für Kettenraucher" sensibilisiert,
gingen die meisten Arbeitsnehmer auf Nummer sicher. Sie baten
vertrauenswürdige Kollegen, ihren Schreibtischstuhl festzuhalten,
auf dass er nicht wegrolle, und erklommen so mühelos ihren Schreibtisch.
Dort angekommen, baten sie ihre Helfer, einen Schritt zurückzutreten.
Sie holten tief Luft, sprachen ein Gebet, schickten eine SMS
an Frau und Kinder - und liessen sich in die Tiefe des Raumes
fallen.
Manche haben sich darüber gewundert,
dass der Fall keine 4:19 Minuten gedauert hat. Vor allem ältere
Arbeitsnehmer, die sich vorgenommen hatten, vor ihrem inneren
Auge ihr Leben Revue passieren zu lassen, waren gedanklich aus
dem Säuglingsalter noch nicht heraus, als ein harter Schlag
sie auf den Boden der Realität zurückbrachte.
Auch
sämtliche Mitglieder unserer Redaktion sind dem Vorbild des
österreichischen Extremsportlers Felix Baumgartner, 43, gefolgt
und haben sich todesmutig vom Schreibtisch oder einem anderen
Büromöbel in die Tiefe gestürzt. Nicht immer ging dabei alles
glatt. "Ich habe sieben Jahre auf diesen Moment hingearbeitet",
erinnert sich ein Sportredakteur an den bewegenden Moment, als
er die oberste Stufe seines Ressortleiters erklommen hatte.
"Und dann funktionierte plötzlich die Visierheizung nicht."
Der Kollege sprang dennoch, seinem Vorbild Baumgartner folgend.
Da er hinter dem beschlagenen Visier nichts sehen konnte, musste
er sich später von umstehenden Kollegen beschreiben lassen,
wie das aussieht, wenn ein Mensch im Trainingsanzug und Motorradhelm
auf dem Kopf in einer Kanarischen Zwergdattelpalme landet und
dabei eine Kaffeemaschine mit sich reisst.

Das
mag sich im ersten Moment vielleicht lächerlich anhören. Betriebspsychologen
weissen aber darauf hin, dass so ein Sprung eine Bürogemeinschaft
ähnlich zusammenschweisst wie der gemeinsam verbrachte Jahresurlaub
in einem Klettergarten oder der Betriebsausflug von Versicherungsvertretern.
Das Nachspielen von Baumgartners Rekordsprung ist nicht nur
ein Segen für die Belegschaft, unterm Strich fördert es auch
die Einheit Europas. Etliche Mitglieder unserer Redaktion haben
im Lauf der Woche die österreichische Staatsbürgerschaft beantragt.
In
zahllosen Facebook-Einträgen ist dokumentiert, dass die Schreibtischspringer
im Grunde das gleiche Extremerlebnis hatten. Sie sprangen, landeten
hart - erst dann war ein Schrei zu hören. Das war der Beweis:
Sie flogen schneller als der Schall.
|