Schade, dass junge Leute
keine Zeitung mehr lesen. So werden sie das Folgende nie erfahren.
Mit
Kollegen sass ich diese Woche im Flughafen von Dublin. Wir warteten
auf unseren Flieger und taten das, was Menschen gerne tun, wenn
sie auf Flughäfen warten und nicht selbst fliegen müssen. Wir
tranken Bier. In diesem Fall, das ist man dieser schönen Stadt
Dublin schuldig, tranken wir irisches Bier.
An
unserem Tisch sass ein Ire, der in New York lebt. Auch der Ire
versüsste sich die Wartezeit mit Biertrinken. Mein Englisch
ist nicht besonders gut, aber ich hatte den Eindruck, dass der
Mann schön länger wartete als wir. Als der Ire hörte, dass wir
Journalisten seien, war er hoch erfreut - und verwundert. Es
sei erstaunlich, sagte er, dass wir redeten und nicht mit Handtelefonen
herumspielten.
Der Ire wollte wissen,
über was wir so schreiben und ob wir einen Poeten in unseren
Reihen hätten. Ja, sagte eine Kollegin, und zeigte auf den jüngsten
in der Runde. Dieser Kollege sei ein Poet. Ich habe noch nie
einen Satz von dem Kollegen gelesen, aber rein äusserlich entsprach
er am ehesten auch meinen Vorstellungen eines Dichters. Hochgewachsen,
schmal, schwarze Kleidung, halblanges, dunkles Haar. Was nicht
so ganz in mein Bild vom Poeten passt, ist, dass der junge Kollege
schlagfertig und charmant ist. Vermutlich bin ich aldmodisch,
aber in meiner Vorstellung erscheinen Poeten als düster und
wortkarg.
Ehrlich gesagt war ich ein
wenig eifersüchtig. Ich hätte mir gewünscht, dass die Kollegin
mich wenigstens als Poesianwärter ins Gespräch gebracht hätte.
Aber gut, das wäre gelogen gewesen. Ich schreibe weder für die
Ewigkeit, noch dafür, dass sich junge Leute meine Sätze auf
die Brust tätowieren lassen. Ich schreibe, um reich zu werden.
Die Poesie ist mir scheissegal.
Auch
wenn ich nicht so recht weiss, was junge Menschen aus diesem
Text lernen können. Ich schätze, ich werde ihn abfotografieren
und auf Facebook stellen.
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