Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (09. September 2012)
 
Generation Golf VII
 

   Eine nervenaufreibende Woche liegt hinter uns. Kaum dass die "Bild" uns mit dem Gerücht schockiert hat, die Heidi hätte nun doch etwas mit ihrem Leibwächter laufen, schlug auch schon Mama Nationale Ursula von der Leyen Alarm. Mit belegter Stimme kondolierte die Arbeitsministerin allen künftigen Rentnern zu ihrer kommenden Altersarmut.

   Danke auch.

   So eine Hiobsbotschaft bringt augenblicklich alles durcheinander. Man fragt sich, wozu das alles? Soll man riestern? Braucht man wirklich eine Zuschussrente? Oder wäre ein Strick besser? Plötzlich schnurrt das eigene Leben an dem inneren Auge vorbei wie ein neuer Golf VII (oder Golf VIII oder Golf CLXXIII): Mutlos, teuer, zu wenig Extras. Gerührt erinnert man sich an die eigene Kindheit und die ersten Berufswünsche. Wollte man nicht irgendetwas mit Medien machen? Leibwächter eines verlassenen Katalogmodels werden? Oder doch als Stewardess bei der Lufthansa anheuern, weil die einfach mehr verdienen als die anderen und so aparte Streikleibchen tragen? Nein. Schon früher entschied man sich für den schönsten aller schönen Berufe: Staatlich geprüfter Rentner.



   Denn der gemeine Rentner, das weiss jedes Kind, hatte schon immer und jetzt sowieso keinen Grund zu klagen. Er geniesst eine Phase voller Kreativität und Leidenschaft, fährt auf der dreispurigen Autobahn des Lebens stets auf der mittleren Spur. Man denke da nur an den spät berufenen Schreib-Erotomanen Marin Walser ("Eine fliehende Stute", "Der dreizehnte Schniedel"), den spät gebärenden Ulrich Wickert ("Tagesthemen", "Gott schuf mich") oder auch an diesen spät vollendeten Helmut Schmidt (wer immer das auch sein mag).

   Mit ihrer satten Rentenerhöhung von letztens 0,99 Prozent (!), dem zinslosen Kredit von einem Urenkel und den Carepaketen aus Griechenland kompensieren die 20 Millionen Rentner hierzulande locker die explodierenden Stadtmieten und Energiepreise. Meist treffen sie sich - falls sie nicht im Stadtpark Leergut aufsammeln, betteln oder in verschwitzten Spandex-Klamotten auf Bahnsteigen zittern, weil sie gleich von Jungneonazis und Migranten eins auf den Fahrradhelm bekommen - zum Stelldichein in einem der zahllosen Wartezimmer verwaister deutscher Kassenarztpraxen. Dort warten sie - falls sie nicht friedlich einschlafen - geduldig stunden- oder jahrelang darauf, nicht aufgerufen zu werden. Bei Blutdruckmessungen und kleineren Organverpflanzungen hilft man sich gegenseitig. Danach noch schnell zum Aquarellkurs oder mit dem Golf II Automatik zum attraktiven Nebenjob - falls einem die Grünen nicht schon den Führerschein abgeluchst haben. Ansonsten Kaffeekännchen und Kuchen bis der Hosenbund reisst - für was Gesünderes reicht's eh nicht.



   So macht das Alter richtig Spass, denkt sich Generation Golf VII und freut sich bereits auf die versprochene Altersarmut der Ministerin - mit oder ohne Abschussrente. Es kann schliesslich nur besser werden.
 

 

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