Der Sommer ist die Zeit
der Träume. Menschen werfen sich in durchglühten Schlafzimmern
hin und her und delirieren ihre geheimsten Sehnsüchte. Da all
unsere Redakteure eine Grundausbildung als Traumdeuter absolviert
haben, sind sie in der Lage, in die Köpfe ihrer Mitmenschen
zu schauen. Und da gibts mächtig was zu sehen. Berlins Bürgermeister
Wowereit etwa, der vom perfekten Landeanflug auf seinen neuen
Airport träumt. Unten schütteln die Einzelhändler leutselig
die Fäuste, oben grüsst Ariel, der alte Luftbrückengeist, und
wispert: "Du bist gut so. Gut so. Gut so." Dann setzt
Wowereit auf und erwacht im nüchternen Secheck des Tegeler Flughafens,
umringt von Aussendienstlern und Promilleurlaubern, die seinen
Ring küssen wollen. Er wischt eine Träne ab, kauft eine Krawatte
und fährt mit dem bus nach Hause.

Wenige
Kilometer entfernt schliesst die Hausherrin des Kanzleramts
die Augen, während Udo Walz ihre Kopfhaut massiert. Sie träumt,
der griechische Regierungschef läge mit einem goldenen Apfel
im Mund auf einem Silbertablett und böte sich ihr dar. Doch
als sie seine Taschen leeren will, steigen Faulgase auf, der
Apfel entpuppt sich als Handy, auf dem gerade der Fraktionsgeschäftsführer
irgendeiner Opposition anruft und seinen Widerstand gegen ein
neues Sonderhaftungsprogramm für die Altschulden Rumäniens ankündigt.
Lieblicher
sind die Träume unserer Wirtschaftsexperten. Ifo-Prophet Hans
Werner Sinn krault nasal schnarchend seinen Kinnbarrt, während
ihm neue Unfehlbarkeitsgedanken zufliegen. 25 muskolöse Sterndeuter
seines Instituts ziehen ihn auf einem geschmückten Wagen durch
die Republik. Für jeden Bürger hat er ein persönliches Zukunftsdrama
bereit. Kasandra, die alte Optimistin - immer noch ein begehrenswertes
Weib -, kuschelt sich an ihn.
Hoppla,
da wird uns noch ein Traum in die Redaktion geblasen. Ein Geflüster
und Getuschel, aus dem die Worte Tacho, Tusche, Tinte dringen.
Dann taucht ein riesiger Schlapphut auf, der das ganze Gebrabbel
erstickt. Unter dem Hut detonieren Handgranaten, fallen Schüsse,
werden staatsfeindliche Parolen gebrüllt. Noch hält der Schlapphut
dicht. Nur das Codewort, wie heisst das verdammte Codewort?
Käsestulle? Kehrschaufel? Kaminfeger? Kandahar? Halbe Treppe?
Hanfpfeife? Zu spät! Der Schlapphut fliegt auf und die ganze
eitergelbe Gedankenpost entweicht in die Luft.

Davon
merkt Horst Seehofer nichts, der nach dem Weisswurstfrühstück
in der sonnendurchglühten Staatskanzlei vor sich hindöst. Tolle
Trugbilder geistern ihm durch den Kopf. Aufräumen in Berlin,
murmelt er im Schlaf und sieht sich mit entblösstem Oberkörper
auf dem Balkon des Kanzleramts stehen: Der Balotelli der deutschen
Politik.Nicht nachdenken, reinmachen! "Reinmachen!",
schreit er. Markus Söder schenkt ihm Weissbier nach. Er schläft
wieder ein.
Wie? Auch Sie sind über
diesem Text eingeschlafen? Gut so. Der Traum ist die schönste
Realität.
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