Mit dem Auto nach Sulden,
das muss man erlebt haben, will man die Lage von Frau Merkel
in der Euro-Krise wirklich verstehen: Die Strasse schmal und
kurvenreich, ein Zickzackkurs. Die Fahrt will kein Ende nehmen,
die letzten Kilometer sind ein Ereignis. Dies ist das Ende von
der Welt, denkt man, nach der nächsten Kurve stürzt man ins
Nichts.

Doch
dann, als man jegliche Hoffnung schon fast aufgegeben und der
Magen sich fast rumgedreht hat, kommt es doch noch: Sulden in
Südtirol, ein paar Hundert Einwohner. Wer nicht rechtzeitig
bremst, ist schon wieder draussen. Raues Klima auf 1900 Meter
Höhe, aber nette und recht günstige Hotels - und sehr viel Ruhe.
Schöne Berge gibt es, aber auch einen Reinhold Messner in der
Nähe. Mann kann halt nicht alles haben.
Frau
Merkel ist mit Mann und Maus im Hotel Marlet (vier Sterne) für
eine Woche abgestiegen. Das haben wir zumindestens gelesen.
Damit kein falscher Eindruck entsteht: Diese Redaktion ist nicht
gemeinsam mit Frau Merkel die Serpentinen nach Sulden gefahren,
keiner von uns hat sie in ihrem Hotel besucht oder eine Wanderung
mit ihr gemacht. Die Schilderungen über Frau Merkels Urlaub,
den sie inzwischen wahrscheinlich in der Uckermark fortsetzt,
sind alle aus zweiter Hand, wir täuschen keine Nähe vor, wo
keine ist.
Aber unsere Redaktion ist
nun einmal berühmt für den grossen Reiseteil. Wir waren schon
überall, auch in Sulden. Zwar war das im Winter, aber das ist
egal. Wir können uns vorstellen, wie diese Woche für Frau Merkel
war, nämlich sehr, sehr anstrengend.
Frau
Merkel wollte beim Wandern auf andere Gedanken kommen oder wenigsten
mal einen klaren Gedanken überhaupt zu fassen kriegen, aber
dann rufen da ständig irgendwelche Regierungschefs und Notenbanker
an. "Die Euro-Krise macht keine Ferien", hat eine
Zeitung getitelt. Warum eigentlich nicht? Wer hätte einen Urlaub
denn jemals nötiger gehabt als der Euro? Warum entspannen sich
die Märkte nicht mal?
Baden-Württembergs
Ministerpräsident Kretschmann praktiziert ja angeblich eine
Politik des Gehörtwerdens, aber was da bei Frau Merkel im Hotel
ablief, das war eher eine Politik des Gestörtwerdens. WIr wollen
gar nicht wissen, wie oft sie am Telefon wieder Nein sagen musste
- und schon gar nicht , wozu sie letztlich dann doch wieder
Ja gesagt hat.

Eine
Woche lang war die Schuldenkrise auch eine Suldenkrise, die
Schuldenberge Suldens Berge. Und was hat's gebracht? Wenn wir
die Nachrichten diese Woche richtig verstanden haben, dann geht
es in Sachen Euro in Schlangenlinien weiter, immer weiter. Die
Franzosen, die Italiener und die Spanier haben offenbar unserer
Kanzlerin am Telefon gesagt: Wir müssen noch mehr Gas geben,
Frau Merkel. Mit noch mehr Schulden kriegen wir die Schuldenkrise
in den Griff. Hören Sie doch auf, immer so zu bremsen, Frau
Merkel!
Haben wir eigentlich schon
erwähnt, dass die Strasse nach Sulden eine Sackgasse ist?
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