"Na gut, ich mag ihn.
Es hat keinen Sinn, mir noch länger etwas vorzumachen. Und ja,
ich finde ihn attraktiv, sehr attraktiv. Doch das Ganze ist
aussichtslos, das weiss ich, und ich seufze in bittersüsser
Verzweiflung." Nein, diese Sätze sind nicht das heimlich
aufgezeichnete Gedankenprotokoll von Prinzessin Charléne bei
ihrer knisternden Begegnung mit Winfried Kretschmann ... Vielmehr
handelt es isch bei diesen Seufzerzeilen um eine Passage aus
dem bellestristischen Hausfrauenporno "Shades of Grey -
Geheimes Verlangen", der die Bestsellerlisten im Sturm
nahm. Ein literarischer Peitschenhieb, knallhart, fordernd und
doch so zärtlich knospend wie die Hardcore-Prosa eines Joachim
Gauck oder die Packungsbeilage einer Enthaarungscreme.

Auf
sechshundert Seiten werden minutiös die abartigen Vorlieben
einer verluderten Literaturstudentin ausgebreitet (tzäglich
Roséchampagner, weisse Ledersessel, Typen mit Waschbrettbäuchen,
Kreditkarten ohne Limit), die sich einen Millionär mit wahnsinnig
grauen Augen unterwirft, der wie jeder andere gesunde Kerl den
Grossteil seiner Freizeit im Baumarkt verbringt. Das Buch ist
"hot", so heiss und ölig, dass man darauf auch seine
Würstel rösch grillen könnte - falls es wider Erwarten doch
noch einen Sommer geben sollte.
Selten
wurde in diesem Land so freimütig über dreckigen Fesselsex,
herrenlose Vorhäute und perverse Alphatiere geschwurbelt. Doch
während in den Buchhandlungen sich scharenweise enthemmte Hausfrauen
in ausgebeulten Dreiviertelhosen mit Gummizug und Lackpumps
über die phallischen Romanstapel von "Shades of Grey"
hermachen, um hernach mit Ikea-Duftkerzen (Vanille), ihre dunkelsten
Abgründe auszuleuchten, regt sich Protest.

Psychologen
fürchten Lustschreie am falschen Ort und einen kollektiven Kontrollverlust,
für den in Deutschland Fussballstadien oder Verfassungsschutzämter
und nicht Schlafzimmer vorgesehen sind. Verbraucherschützer
warnen vor Brustwarzenklemmen aus chinesischer Billigproduktion.
Bildungsexperten verweisen auf die prekäre Situation junger
Geiteswissenschaftlerinnen der Generation Praktikum - die ersten
wurden gesichtet, wie sie nach der Lektüre mit hündischem Blick
durch unsere hoffnungslos versingelten Grossstädte hecheln und
grauäugig schielenden Millionenerben auflauern. Obi und Hornbach
vermelden Lieferengpässe bei Kreppbändern, Kabelbindern und
leichten Motorsägen. Empörung auch beim Papst. Im Vatikan prüft
man eine einstweilige Verfügung, schliesslich wird in dem Buch
vor jeder Intimität ein Kondom übergestreift, was man keinesfalls
als Satire durchgehen lassen will.
Und
wenn Sie bei dieser schamlosen Glosse über die vermeintlich
neue Lust der Deutschen an der Unterwerfung nichts spüren, weder
Schmerz noch Lust, könnte es daran liegen, dass Sie glitschigkalt
wie dieser Sommer sind oder keine Duftkerze angezündet haben.
Vanille. SM für die Nase. Uuuh.
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