Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (15. Juli 2012)
 
Hausfrauenreport, letzter Teil
 

   "Na gut, ich mag ihn. Es hat keinen Sinn, mir noch länger etwas vorzumachen. Und ja, ich finde ihn attraktiv, sehr attraktiv. Doch das Ganze ist aussichtslos, das weiss ich, und ich seufze in bittersüsser Verzweiflung." Nein, diese Sätze sind nicht das heimlich aufgezeichnete Gedankenprotokoll von Prinzessin Charléne bei ihrer knisternden Begegnung mit Winfried Kretschmann ... Vielmehr handelt es isch bei diesen Seufzerzeilen um eine Passage aus dem bellestristischen Hausfrauenporno "Shades of Grey - Geheimes Verlangen", der die Bestsellerlisten im Sturm nahm. Ein literarischer Peitschenhieb, knallhart, fordernd und doch so zärtlich knospend wie die Hardcore-Prosa eines Joachim Gauck oder die Packungsbeilage einer Enthaarungscreme.



   Auf sechshundert Seiten werden minutiös die abartigen Vorlieben einer verluderten Literaturstudentin ausgebreitet (tzäglich Roséchampagner, weisse Ledersessel, Typen mit Waschbrettbäuchen, Kreditkarten ohne Limit), die sich einen Millionär mit wahnsinnig grauen Augen unterwirft, der wie jeder andere gesunde Kerl den Grossteil seiner Freizeit im Baumarkt verbringt. Das Buch ist "hot", so heiss und ölig, dass man darauf auch seine Würstel rösch grillen könnte - falls es wider Erwarten doch noch einen Sommer geben sollte.

   Selten wurde in diesem Land so freimütig über dreckigen Fesselsex, herrenlose Vorhäute und perverse Alphatiere geschwurbelt. Doch während in den Buchhandlungen sich scharenweise enthemmte Hausfrauen in ausgebeulten Dreiviertelhosen mit Gummizug und Lackpumps über die phallischen Romanstapel von "Shades of Grey" hermachen, um hernach mit Ikea-Duftkerzen (Vanille), ihre dunkelsten Abgründe auszuleuchten, regt sich Protest.



   Psychologen fürchten Lustschreie am falschen Ort und einen kollektiven Kontrollverlust, für den in Deutschland Fussballstadien oder Verfassungsschutzämter und nicht Schlafzimmer vorgesehen sind. Verbraucherschützer warnen vor Brustwarzenklemmen aus chinesischer Billigproduktion. Bildungsexperten verweisen auf die prekäre Situation junger Geiteswissenschaftlerinnen der Generation Praktikum - die ersten wurden gesichtet, wie sie nach der Lektüre mit hündischem Blick durch unsere hoffnungslos versingelten Grossstädte hecheln und grauäugig schielenden Millionenerben auflauern. Obi und Hornbach vermelden Lieferengpässe bei Kreppbändern, Kabelbindern und leichten Motorsägen. Empörung auch beim Papst. Im Vatikan prüft man eine einstweilige Verfügung, schliesslich wird in dem Buch vor jeder Intimität ein Kondom übergestreift, was man keinesfalls als Satire durchgehen lassen will.

   Und wenn Sie bei dieser schamlosen Glosse über die vermeintlich neue Lust der Deutschen an der Unterwerfung nichts spüren, weder Schmerz noch Lust, könnte es daran liegen, dass Sie glitschigkalt wie dieser Sommer sind oder keine Duftkerze angezündet haben. Vanille. SM für die Nase. Uuuh.
 

 

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