Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (20. Mai 2012)
 
Ach du liebe Schlacke!
 

   An dieser Stelle erwartet den Leser jede Woche eine absolut schlackenlose Kolumne, schlank in der Argumentation und ohne die geringsten Ablagerungen blutdruckschädigender Fettstoffe. Das ist umso wichtiger, als unsere Gesellschaft in der warmen Jahreszeit förmlich von Schlacken durchseucht wird. Auch diese Woche begannen Menschen wieder, ihre Oberschenkel und Hüften panisch nach schlackigen Ablagerungen abzutasten und zu beklagen, dass sie im WInter jene ungebetenen Gäste nicht dingfest gemacht haben, die jetzt ihr Bindegewebe unterwandern. Wer Glück hat, kann die eine oder andere Schlacke mit einer Fliegenklatsche erledigen (Vorsicht: Erlegte Schlacken gehören nicht in den Hausmüll!), doch meist ist es zu spät. An den Schuhen kleben Schlackenreste, sie lähmen das Unternehmertum, verstopfen die Überholspur, verkleben soziale Kontakte und legen sich ölig aufs Gemüt.



   Der Imagewandel der Schlacke ist erstaunlich: Die grossen Entdecker tauschten einst an fernen Gestaden Schlacken gegen Gewürze, Gold und Frauen. Heute tauschen viele Frauen ihr verschlacktes Bindegewebe gegen ein straffes Austauschteil aus Fernost. Der Vorschlag, Schlacken öffentlich und abschreckend zu verbrennen, wurde im Zuge der Feinstaubdebatte verworfen.



   Dabei sind Schlacken einfach aufzuspüren. Wer nach einem Téte-à-Téte mit vier Weissbieren und einem gegrillten Schweinehals aufwacht, kann meist noch vor dem ersten Hahnenschrei eine frische Schlacke am Oberschenkel ertasten - im Volksmund auch Orangenhaut genannt. Sich auf die andere Seite zu drehen, bringt keine Linderung. Gottlob ist Deutschland mittlerweise übersät mit Entschlackungszentren, in denen Patienten von sonnengebräunten Ernährungsberatern gedemütigt werden und sich gemäss der alten Regel "Gleiches mit Gleichem" Packungen mit getrockenden Altschlacken auf ihre empfindlichsten Problemkörperteile pressen lassen.



   Dennoch nimmt die Verschlackung in der Politik alarmierend zu. Über den Bauch des Berufspolitikers, wo sie sich im politischen Nervenzentrum Mensa populare (vulgo Stammtisch) anlagern, arbeiten sich Schlacken bis zum gesunden Menschenverstand vor. Sie führen dort zu einer völligen Sklerose und lösen einen Reflex aus, sich und den anderen Gutes zu tun, Durch Zuwendungen aller Art verfettet sich der Staatshaushalt bis zum Infarkt, allerdings ist die Stimmung im Volk Spitze. Jedermann schlingt Subventionen in sich hinein  und wabbelt vor Lachen mit dem Bauchspeck, wenn er an die Zukunft denkt. Diese Symptome sind der Wissenschaft lange bekannt und werden als Cellulitis, im Volksmunbd auch als "griechische Krankheit" bezeichnet, was auf ihren Entdecker Nicos Cellulitis, einen Athener Arzt des 19. Jahrhunderts,zurückgeht. Dort sind auch die einzigen ernsthaften Bemühungen einer nationalen Entschlackung eingeleitet worden. Sollte sie gelingen, gibt es ein Problem: Wohin mit den Altschlacken? Wer zu Hause noch ein Plätzchen in der Garage hat, möge sich melden.
 

 

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