Der Wisch schaut nicht anders
aus als die Faxe und Briefe, die die Woche über auf meinem Schreibtisch
gelandet sind. Aber schaut man genau hin, wird einem klar: Dieses
Schreiben ist ein Beleg für die Verrohung unserer Gesellschaft.
Es ist ein Dokument des Grauens.
Das
Grauen kam als Einladung des Deutschen Roten Kreuzes in die
Redaktion geflattert, vom Ortsverein Sielmingen, der an diesem
Sonntag 12:30 Uhr im örtlichen Feuerwehrhaus etwas veranstaltet,
was ich kaum zu schreiben wage. Der Ortsverein lädt zum "Mitgliedereintopf".
Bereits "zum zweiten Mal", heisst es da. Da springt
einem glatt der Deckel vom Salzstreuer. Bei aller Liebe zur
experimentellen Küche, Mitglieder kämen mir keine in den Topf.
Selbst
als hartgesottener Rechercheur und Freund der blutrünstigen
Mafia-Saga "Die Sopranos" muss man unwillkürlich schlucken
und sich fragen: Wie konnte uns das verborgen bleiben? Und was
heisst das überhaupt: Mitgliedereintopf? Was kommt da ausser
Mitglieder sonst noch rein? Erbsen, Bohnen, Linsen, Kohl, Steckrüben,
Möhren, Kartoffeln, Graupen? Werden die Mitglieder gepökelt
oder geräuchert? Und warum Mitglieder? Warum Leute aus den eigenen
Reihen? Und was, wenn der Mitgliedereintopf gegessen ist? Wird
dann ein Menschenauflauf in die Röhre geschoben?

Es
ist Jahre her, dass mir etwas vergleichbares auf den Tisch kam.
Damals lud eine städtische Einrichtung, ich glaube, es war ein
Jugendhaus, unschuldige Lämmer zum "Kinderkochen".
So was fährt einem in die Knochen - genauso wie die Meldung
der "Passauer Neuen Presse" von 2003, die mahnend
über meinem Bildschirm hängt: "SPD grillt und ehrt langjährige
Mitglieder."
Wenn man das liest,
bereut man jeden Kannibalenwitz, den man von sich gab. Gleichzeitig
ist man froh darüber, dass man weder SPD-Mitglied noch einen
Aufruf der Rotkreuzler zum Blutspenden gefolgt ist. Wer weiss,
ob man die Turn- oder Mehrzweckhalle jemals wieder verlassen
hätte. Und falls ja, als was? Auflauf oder Eintopf, das ist
hier die Frage.
Aber vielleicht sehe
ich das Ganze zu schwarz, und die sind mit ihrer Mitgliederverkostung
ausgelastet.
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