Der Frühling ist ein Sinnenrausch.
Alles blüht, alles spriesst. Schon sieht man ihn allerorten
wühlen und vertikutieren, den neuen Hobbygärtner. Längst haben
die Schrebergärten den Ruf des Spiesserparadieses abgestreift.
Wo früher echt deutsche Gartenzwerge in Randlagen diskriminiert
wurden, trifft sich heute die agrikulturelle Boheme. Immer mehr
Mittelschichtler pachten Parzellen, um sich ein Stück Natur
zu gönnen. Ein Mann mit frischer Erde unter den Nägeln und viel
Moos auf der Brust gilt als heisser Molch. Wessen Kind nicht
mindestens 27 heimische Apfelsorten aufsagen kann, wird nicht
zum Abitur zugelassen.

Doch
nicht jeder kann mit dieser Landlust mithalten, verstehth es,
beim Bärlauchsnak einen luziden Small Talk über Primeln und
Aurikeln zu führen. Täglich wuchern frische Trendgewächse, die
unsere grüne Adern pochen lassen. Wussten Sie, dass das Artige
Herdmütterchen (Viola kristinea prämiens), eine glat gebürstete
Zierpflanzenart innerhalb der Familie der Unionsfrüchtchen ist?
Infolge eines jahrzehntelangen feministischen Kunstdüngereinsatzes
treten nun vermehrt herbizidresistente Varianten mit Wuchshöhen
von bis zu 175 Zentimetern auf. Die hellblonden Blütenkronen
sind schulterlang, bilden an ihren Unterseiten Kerben aus, die
an Mutterverdienstkreuze erinnern. Sie verblühen rasch - im
Gegensatz zum immer saftigen Wilden Stiefmütterchen aus dem
Nachbargarten (Vorsichtig: Giftig!). Das Artige Herdmütterchen
bevorzugt schattige Standorte: Ausländerfreie Spielplätze, klimatisierte
Geländewagen und patriarchale Hinterstübchen. Solche Plätze
sind nährstoffreich und gewinnorientiert. In der Volksmedizin
gilt der Wurzelextrakt als Mittel gegen Unfruchtbarkeit. Gegenanzeigen?
Brechreiz und linksseitiges Kopfschütteln.

Beliebt
ist auch der Gemeine Bayerische Wurstschwellkopf (Uliea Hoenessins),
dessen intensiver Geruch nach zwiebligen Schweiss und ungewaschenen
Unterhosen Baumärkte und Fussballkneipen durchwabert. Seine
ledrige, fast kahle Knolle ist dünnlippig und fein gewimpert.
Der Wurstsschwellkopf ist ein auf heimischen Rollrasen anzutreffender
Duselknöterich, der in letzter Zeit auch in südeuropäischen
Stadien üppig gedeiht. Er muss allabendlich mit schalem Bier
gegossen werden, wobei man beachten sollte, dass der Übertopf
nicht überläuft. Tipp: Die überschüssige Flüssigkeit kann an
Häuserwänden abgeschlagen werden.

Während
die erwähnten Pflanzen leicht zu kultivieren sind, sei vor billiger
Importware gewarnt. So birgt der Anbau der Nordfranzösischen
Stinkmorchel (Frontella nationalis) eine Gefahr für die ökologische
Vielfalt ihres Biotops. Letztere beherrscht die Kunst der Täuschung,
sieht aus wie eine hübsche Rose, doch ihre Dolden produzieren
keinen süssen Nektar, sondern ein giftig-klebriges Sekret, an
dem fleissige pollensammelnde Insektenvölker aus aller Welt
hängen bleiben. Am Ende bleibt nur noch eine fade Monokultur
zu bewirtschaften, die keinen Frühling, keinen Hobbygärtner
mehr ins Freie lockt.
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