Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (15. April 2012)
 
Nordkorea und ich
 

   Jeder hat sein Ding der Woche. Für die Kordkoreaner war e ein Beobachtungssatellit namens Kwangmyongsong-3, den sie vergangene Woche mit Hilfe einer Langstreckenrakete vor aller Augen in die Umlaufbahn der Erde bugsieren wollten. Für mich war es ein W-Lan-Router, dessen Inbetriebnahme so kompliziert war wie der Name des nordkoreanischen Satelliten und den ich deshalb fast auf den Mond geschossen hätte.

   Früher musste ein Mann ein Kind zeugen, einen Baum pflanzen und vielleicht noch ein Haus bauen, um gesellschaftliche Anerkennung zu erlangen. Heute muss er erin W-Lan-Netz stricken. "Was, ihr habt kein W-Lan?" - Ich hatte es satt, mir von jungen und junggebliebenen Besuchern unserer Wohnung anhören zu müssen, wie rückständig wir angeblich sind. Die Generation Smartphone braucht ständig Internet. Die suchen sogar ihre Urlaubsorte danach aus, ob sie Empfang haben oder nicht.

   Kurzer Einschub für alle glücklichen Menschen, die noch nie von W-Lan gehört haben: Es handelt sich hierbei um einen drahtlosen Internetzugang. Mit Hilfe eines Gerätes kann man eine Art Funknetz schaffen in der eigenen Wohnung. Man sieht es nicht, man hört es nicht, aber man braucht es zum Beispiel, wenn man sich zum Surfen nicht an den Computer im Arbeitszimmer setzen will, sondern auf dem Sofa lümmeln möchte oder einem Smartphone in der Hand. Dann hat man es geschafft, dann ist man so hip wie die Typen in der Werbung.



   Auch meine Kinder nervten mich: "Papa, warum haben wir kein W-Lan?" Tja, liebe Kinder, weil der Papa bislang keine Zeit fand, diesen komischen W-Lan-Router, den er vor Monaten gekauft hatte, auch anzuschliessen.

   Nun aber war es so weit: Ich packte den Karton aus, las die Bedienungsanleitung von Modem und Router und suchte im Karton nach diversen Kabeln und Installtions-CDs. Es war nicht schön anzusehen, wie ich da auf dem boden sass, es war eher ein Frühlingsgewühle.

   Wenn man alles richtig verkabelt hat, dann müssen die Geräte miteinander Kommunizieren. Sie müssen sich, so habe ich das verstanden, erkennen und sich quasi verbünden. Taten sie aber nicht. Der Router erkannte das Modem nicht, da konnte ich die beiden noch so oft einander vorstellen. Kopfschütteln lief ich, Fachbegriffe murmelnd, durch die Wohnung - verschämt beobachtet von von meiner Familie. Papa war ein Versager, ein Mensch, der seiner Familie nicht einmal ein W-Lan-Netz aufbauen kann.

   Freitag früh rief ich eine Hotline an. Der Mann am anderen Ende der Leitung empfahl mir, einfach mal ganz lange den Reset-Knopf zu drücken und es dann noch einmal zu probieren. Was soll ich sagen? Es funktionierte! Mein Sohn sah stolz zu mir auf, ich war kurz davor, vor Freude zu weinen.

   Kurz darauf hörte ich, dass der Satellit Kwangmyongsong-3 ins Meer gestürzt ist. Ich bin kein Freund der nordkoreanischen Regierung. Aber ein bisschen Mitleid hatte ich schon.
 

 

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