Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (08. April 2012)
 
   Der neue, alte Mann
 


   Es ist schon einige Monate her, dass eine junge Autorin der "Zeit" den "Schmerzensmann" zum Feindbild auserkoren hat. Seitdem tobt in den Feuilletons und Manufactum-Filialen der Geschlechterkampf um die Frage: Wann ist ein Mann doch kein Mann?

   Mit Schmerzensmännern waren diese bedauernswerten Kollateralschäden der gewonnenen weiblichen Emanzipationsschlachten gemeint. Jahrzehntelang hat man sich bemüht, der aufbegehrenden Frau zu gefallen, sie als gleichberechtigt zu akzeptieren. Eine Männerdomäne nach der anderen ging verloren. Manch einer schämte sich heute gar so sehr für sein Geschlecht, dass er bei jeder Gelegenheit öffentlich bekennt: "Eigentlich bin ich eine Lesbe, gefangen in einem männlichen Körper."

   Inzwischen bevölkern infantlie Kopfwesen unsere Innenstädte. Schmerzensmänner zwischen 20 und 35, die lieb sind, oft melancholisch, kuschelzart wie Welpen. Sie riechen nach Patschuli und arbeiten gerade an irgend einem Projekt. Wenn sie nicht gerade ausgiebig weinen, Haikus zum Thema Brokkoli-Gratin dichten oder sich spatenweise Q-10-Anti-Aging-Creme ins Gesicht schaufeln, lassen sie sich Zeit: Mit der Karriere, mit der eigenen Immobilie, mit der Familienplanung.



   Die jungen Frauen aber haben die Nase voll von diesem feministischen Mannsbild, wollen starke Schultern zum Anlehnen, keine epilierten Hühnerbrüste. Verstehe einer die Frauen.

   Tatsächlich sind die echten Kerle vom Aussterben bedroht. Früher bestiegen sie ohne zu zittern eine Rakete zum Mond, heute bekommen sie bereits auf der Fahrt zur nächsten Tankstelle eine mehrtägige Burn-out-Attacke. Viele halten den irren Druck nicht stand, ziehen sich zurück, lesen die "Zeit" oder kandidieren am Ende für die FDP in Nordrhein-Westfalen. Andere klauen aus Rathäusern tonnenweise Klobürsten, in der schwäbischen Psychologie als typische Phallus-Symbole und Insignien verlorener Macht bekannt. Ein Hilfeschrei.

   Die CSU hat seinerzeit schnell reagiert, peitschte die Herdprämie durchs Parlament und verspricht jeder Frau, die solch einen entscheidungsunwilligen Schmerzensmann freiwillig adoptiert, einen exclusiven, frei stehenden Gusseisen-Modulherd im authentischen Landhaus-Retro-Style samt separatem Weicheierkocher.

   Doch die neuen Frauen lassen sich nicht kaufen. Sie fordern mehr: Die Abschaffung aller gemischten Pilates-Gruppen sowie die Einführung einer Männerquote in Manufactum-Filialen. Unterstützung bekommen sie von Günter Ayatolloh Grass, Überlebender einer versehentlichen Kochbücherverbrennung im Garten der Männergruppe 47 und Schwadroneur alter Schule, der seinerzeit hinter den Frontlinien schon manch eine Zwiebel gehäutet hat. Sein viel beachtetes Sinnlosgedicht "Der Blechtrommler" liest sich wie die Betriebsanleitung eines iranischen Atomreaktors. Endlich mal wieder ein Mann, der sagt, wo's lang geht.
 

 

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