Kunst wäscht den Staub
des Alltags von der Seele, sagte mal Pablo Picasso, der es wissen
musste. Schliesslich war der virile Spanier vor seinem Durchbruch
oft pleite und konnte sich für seine zugestaubte, mit Champagnerflaschen
und Reizwäsche übersäte Mansarde keine Putzfrau leisten. Verzweifelt
malte er alles voll, was ihm vor den Pinsel kam.

Kunst
tröstet, Kunst reinigt. Auch wir können nach den Schlammschlachten
der postpräsidialen Woche auf unsere Künstler vertrauen. Sie
arbeiten an einer ästhetischen Aufarbeitung der dramtischen
Geschehnisse.
Gerhard Richter etwa,
deutscher Künstler von Weltruf, für dessen Retrospektive die
Berliner zurzeit wie anno 46 tagelang anstehen, malt an einem
neuen Bild mit dem Titel "Onkel Otto". Ein älterer,
mild grinsender Mann ist zu erkennen. Es scheint Otto Rehhagel
zu sein, der neue Hertha-Trainer, aber wer weiss. Denn Richter
greift auf das Stilmittel der Verwischung zurück. Diese Unschärfe
kann als Paradigma eines Fundamentalen Erkenntnisszweifels verstanden
werden. Niemand weiss, was wahr ist, was falsch ist, wer Trainer
ist, wer Präsident. Und je länger man schaut, desto deutlicher
schält sich eine andere Fratze aus dem Bild: Es ist Joachim
Gauck, entrückt vom intensiven Selbstgespräch. Eine gespenstische
Ähnlichkeit. Dazu im Hintergrund ein irisierendes grün-rot-gelbes
Wetterleuchten. Ein Augenrausch.
Auch
der bekannte Theatermetzger Frank Castorf, der für seine Inszenierungen
an der Berliner Volksbühne immer mindestens einen Hektoliter
Schweineblut mit frischen Pansen benötigt und seinen Vertrag
nun bis 2062 verlängert hat, steckt knietief in den Proben.
Bei "Kabale und Triebe" handelt es sich um ein kleinbürgerliches
Trauerspiel mit prickelnden Nord-Süd-Dialogen. Die Handlung
ist rasch erzählt: Chris und Betty, ein Liebespaar aus Hannover,
macht trotz horrender Benzinpreise mit einem geleasten Skoda
eine Schnäppchentour nach Berlin, verfährt sich aber im Intrigennebel.
Nach monatelangen Geisterfahrt auf dem Stadtring endet die Reise
jäh, aus dem Navigationsgerät die Stimme eines ostdeutschen
Pastors erklingt. Niemand versteht ein Wort, aber es klingt
poetisch. Sie fahren rechts ran. Sie steigen aus, küssen sich
- und werden von einem Rudel hungriger Hauptstadtjournalisten
zerfleischt. Das Einzige, was übrig bleibt, ist ein Rabattmarkenheft
der Drogerie Rossmann. Für die Rolle der tätowierten Beifahrerin
war eigentlich Nina Hoss vorgesehen, doch die sagte wegen eines
Blondinenwitzes ab. Nun munkelt man in den Feuilletons, Thomas
Gottschalk würde den Part übernehmen. Vielleicht ein Publikumsgift.

Regisseur
Christian Petzold (Silbener Bär, Goldhamster) drehth ebenfalls,
und zwar einen Film über einen vernachlässigten Aspekt im Bellevue:
Das verwaiste Beautycase der abwesenden Schlossherrin. Im Bellevue
ist es mucksmäuschenstill, kalt. Die Kamera hält voll drauf
auf das Beautycase. Plötzlich ein lautes Keckern. Und ein Fuss
kickt das Schminkköfferchen aus dem Bild. Otto Rehhagel ist
es, der nackt durchs Schloss rennt. Oder ist es Horst Seehofer?
Heidi Klum? Gar Joachim Gauck? Egal. Die Präsidenten kommen
und gehen. Was bleibt, ist die Kunst.
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