Nicht nur bei
Anwälten, Chirurgen und Menschenhändlern gibt es Angeber, auch
bei Journalisten. Ein journalistisches Grossmaul ist leicht
zu erkennen, wenn man fragt: "Und, was liest du gerade."
Angeber sagen: "Das bisschen, das ich lese, schreibe ich
selbst."
Dass man Texte, die man
verfasst, auch liest, ist von Vorteil, aber nicht zwingend notwendig.
Ich bin unlängst auf einen zwei Jahre alten Text von mir gestossen,
der mir völlig fremd war. Ich habe den Text im Kollegenkreis
herumgeschickt, aber keiner wollte es gewesen sein. Nicht mal
zu Guttenberg, ein alter Kumpel aus aristokratischen Tagen,
nahm die Urheberschaft an. Vermutlich habe ich vergessen, den
Text beim Schreiben zu lesen.

Die
meisten von mir verfassten Texte lese ich aber schon. Und ich
lese Fremdtexte, etwa die, die meine Kollegen an dieser Stelle
schreiben. Oft stosse ich auf Erbauliches, Tiefgründiges, ja
sogar Heiteres. Allerdings ist mir aufgefallen, dass wir in
letzter Zeit eine journalistische Spielart vergessen haben:
Den Service, die praktische Lebenshilfe.
Keiner
hat ein Wort darüber verloren, wie man das Profil eines abgefahrenen
Winterreifens unter Zuhilfenahme eines Schweizer Taschenmessers
oder eines polnischen Spargelschälers für die kalte Jahreszeit
fit machen kann. Oder wie man den beim Kaltstart strauchelnden
Wagen mittels Herzschrittmacher zum Laufen bringt. Noch istz
nichts verloren. Deshalb muss ich Sie fragen: Wie halten Sie
es mit dem Wintergrillen?
Wintergrillen,
habe ich in einer auf Lebenshilfe abonnierten Publikation gelesen,
sei im Trend. Bevor ich ins Detail gehe, eine Begriffserklärung.
Wintergrillen ist nicht die Bezeichnung für eine in der Winterdämmerung
zirpende Insekten. Wintergrillen meint auch nicht die schrillen
Laute, die man an Ski- und Rodelhängen vernehmen kann. Unter
WIntergrillen versteht man das aushäusige Erhitzen von Lebensmitteln
mittels Feuer.
Wintergrillen ist ein
Faszinosum. Ein Spiel der Gegensätze, ein Kampf der ELemente.
Von oben droht erbarmungslos Väterchen Frost. Von unten Höllenglut.
Mittendrin ein armes Würstchen. Aber halt! Wir wollen unsere
vegetarischen Freunde nicht ausgrenzen. Wintergrillen kann man
auch mit Orangen, Gurken, Grünkernbratlingen. Wer's mag.

Der
schönste Moment beim Wintergrillen ist, wenn der Grillmeister
das angekokelte, fetttriefende Grillgut ins Warme bringt, wo
eine alkoholisch dampfende Meute es mit einem launigen "Wird
auch Zeit, du lahme Ente!" empfängt. Hinweis für anonyme
Alkoholiker: Wintergrillen geht auch ohne Feuerwasser. Ihr solltet
euch aber für den Grillabend Namen geben. Hebt die Stimmung.
Falls
Sie beim Anfachen Ihres Wintergrillfeuers Probleme haben sollten
- macht nichts. Wir gehen Ihnen gerne mit einem Printprodukt
aus nachwachsenden Rohstoffen zur Hand. Einfach Ihre Sonntagszeitung
unter die Holzkohle schieben, brennendes Streichholz dranhalten,
fertig. Aber bitte erst, nachdem Sie diese Kolumne ausgeschnitten
und im Goldrahmen aufs Klo gehängt haben.
Grössenwahnsinnigst,
Ihr Autor.
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