Ein guter Satiriker
war mal ein Held des Alltags, der es verstand, im Politzirkus
einem mächtigen deutschen Tiger sehenden Auges ein Barthaar
auszurupfen, ohne anschliessend vor grossem Publikum gefressen
zu werden. Doch die Zeiten für gute Satire und grosse Zirkusauftritte
sind vorbei. Die gemeinen Charaktertiger sind ausgestorben und
durch dressierte Brüsseler Aale ersetzt worden, auf deren Glatzen
man vergeblich eine sarkastische Locke zu drehen versucht. Ein
Kurt Tucholsky könnte sich heute höchstens noch als Gag-Schreiber
im Schloss Bellevue bewerben, dem letzten Quatsch-Comedy-Club
der Republik.

Diese
traurige Entwicklung mag erklären, warum unser Lieblingsdompteur
früherer Tage, der Regisseur Helmut dietl, sich mitt seiner
neuesten Politzirkusjonglage dermassen verzettelt hat und ausgebuht
wird. Tempi passati. Der Altsatiriker Dietl hat nicht kapiert,
dass sein Genre halbtot, dafür der humorfreie Thriller umso
lebendiger ist. Schliesslich leben wir in einer Kultur des Verdachts.
Andauernd
wird jemand bespitzelt, in jedem Wohnzimmer, auf jeder Zeitungsseite,
unter jedem Zehennagel lauert ein Krimi. Wer nicht montags das
Drehbuch des letzten "Tatorts" auf Geheiss mit paranoidem
Näseln auswendig deklamieren kann, muss mit strafrechtlichen
Konsequenzen rechnen. Der Kommissar gehört mittlerweile zu den
begehrtesten Exportgütern aus dem ehemaligen Land der Richter
und Henker, schliesslich ist die Welt ein einziger Tatort. Angela
Merkel erwägt deswegen ganz Griechenland in eine Fernsehkulisse
umzuwandeln, in dem künftig der "Tatort" im Ersten
mit sozialromatischem Touch und zehn Millionen abgebrannten
Statisten gedreht werden soll. Titel: "Nach dem Sitaki
kommt das Kreuzverhör". In der Hauptrolle ein knallhartes,
aber sensibles Sparhauptkommissarduo aus Berlin.
Nur
schade, dass für diese heikle Rolle Alexander Dobrindt, ein
Jungtalent aus dem Tragödienstadl der CSU, nicht zur Verfügung
stand. Der feinfühlige Mime feiert in dem Thriller "Dame,
Kini, As, Spion" einen fulminanten Einstand. Die Kinokritiker
sind begeistert. Dobrindt spielt darin Smiley, einen schachspielenden
Kommunistenjäger mit einem Sepia-Stich in der Birne.

Während
der Verfassungsschutz unermüdlich die falsche Spur verfolgt
und den terroristischen Winter beobachtet, der untergetaucht
war und sich plötzlich mit brutaler Kälte zurückmeldet, wittert
Smiley hinter den gestiegenen Heizkostenrechnungen eine rote
Verschwörung. Dann rastet er aus und verschluckt sich an einer
linksradikalen brandenburgischen Fleischtomate. Welche Geheimnisse
sich hinter seiner monströsen Brille, den fratzenartigen Gesichtszügen
und seiner knarzenden Lederhosen schlummern - eine Szene lässt
eine unterdrückte autoerotische Identität erahnen -, bleibt
im Unklaren. Der kalte Krieg vergletschert seine Helden, drängt
ihn in braun geschwitzte Fantasien, in stickige Talkshwos und
unter bajuwarische Stammtische - bleierne Ummantelungen eines
satirefreien Alltags. Draussen, irgendwo im deutschen Schnee,
fährt zum "Walkürenritt" Richard Wagners ein winkendes
Präsidentenpaar in einem frisch polierten Audi vorbei. Und Schnitt.
Was für ein Krimi!
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