Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (05. Februar 2012)
 
   Gar nix zu lachen
 


   Ein guter Satiriker war mal ein Held des Alltags, der es verstand, im Politzirkus einem mächtigen deutschen Tiger sehenden Auges ein Barthaar auszurupfen, ohne anschliessend vor grossem Publikum gefressen zu werden. Doch die Zeiten für gute Satire und grosse Zirkusauftritte sind vorbei. Die gemeinen Charaktertiger sind ausgestorben und durch dressierte Brüsseler Aale ersetzt worden, auf deren Glatzen man vergeblich eine sarkastische Locke zu drehen versucht. Ein Kurt Tucholsky könnte sich heute höchstens noch als Gag-Schreiber  im Schloss Bellevue bewerben, dem letzten Quatsch-Comedy-Club der Republik.

                 

   Diese traurige Entwicklung mag erklären, warum unser Lieblingsdompteur früherer Tage, der Regisseur Helmut dietl, sich mitt seiner neuesten Politzirkusjonglage dermassen verzettelt hat und ausgebuht wird. Tempi passati. Der Altsatiriker Dietl hat nicht kapiert, dass sein Genre halbtot, dafür der humorfreie Thriller umso lebendiger ist. Schliesslich leben wir in einer Kultur des Verdachts.

   Andauernd wird jemand bespitzelt, in jedem Wohnzimmer, auf jeder Zeitungsseite, unter jedem Zehennagel lauert ein Krimi. Wer nicht montags das Drehbuch des letzten "Tatorts" auf Geheiss mit paranoidem Näseln auswendig deklamieren kann, muss mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Der Kommissar gehört mittlerweile zu den begehrtesten Exportgütern aus dem ehemaligen Land der Richter und Henker, schliesslich ist die Welt ein einziger Tatort. Angela Merkel erwägt deswegen ganz Griechenland in eine Fernsehkulisse umzuwandeln, in dem künftig der "Tatort" im Ersten mit sozialromatischem Touch und zehn Millionen abgebrannten Statisten gedreht werden soll. Titel: "Nach dem Sitaki kommt das Kreuzverhör". In der Hauptrolle ein knallhartes, aber sensibles Sparhauptkommissarduo aus Berlin.

   Nur schade, dass für diese heikle Rolle Alexander Dobrindt, ein Jungtalent aus dem Tragödienstadl der CSU, nicht zur Verfügung stand. Der feinfühlige Mime feiert in dem Thriller "Dame, Kini, As, Spion" einen fulminanten Einstand. Die Kinokritiker sind begeistert. Dobrindt spielt darin Smiley, einen schachspielenden Kommunistenjäger mit einem Sepia-Stich in der Birne.

            

   Während der Verfassungsschutz unermüdlich die falsche Spur verfolgt und den terroristischen Winter beobachtet, der untergetaucht war und sich plötzlich mit brutaler Kälte zurückmeldet, wittert Smiley hinter den gestiegenen Heizkostenrechnungen eine rote Verschwörung. Dann rastet er aus und verschluckt sich an einer linksradikalen brandenburgischen Fleischtomate. Welche Geheimnisse sich hinter seiner monströsen Brille, den fratzenartigen Gesichtszügen und seiner knarzenden Lederhosen schlummern - eine Szene lässt eine unterdrückte autoerotische Identität erahnen -, bleibt im Unklaren. Der kalte Krieg vergletschert seine Helden, drängt ihn in braun geschwitzte Fantasien, in stickige Talkshwos und unter bajuwarische Stammtische - bleierne Ummantelungen eines satirefreien Alltags. Draussen, irgendwo im deutschen Schnee, fährt zum "Walkürenritt" Richard Wagners ein winkendes Präsidentenpaar in einem frisch polierten Audi vorbei. Und Schnitt. Was für ein Krimi!
 

 

Zurück