Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (29. Januar 2012)
 
   Die F-5-Taste für die Finanzkrise
 


   Die alltägliche Berichtserstattung in unseren Medien ist ja eine Variation des immer Gleichen. Affären, Krisen, Skandale, mitunter ein kleiner Weltuntergang, der sich im Nachhinein als explodierter Mikrowellenherd in der bildungsfernen Küche einer Vorstadtsiedlung entpuppt. Nun ja, Diesen Schlick aus Nachrichten in einem schmackhaften Eintopf zu verwandeln, hilft die Computertechnik.

   Längst werden Artikel und Schlagzeilen nicht mehr Wort für Wort von indischen Billigkräften eingetippt, die zwar bis zu 3500 Anschläge die Minute raushauen, mit der Übertragung von Begriffen wie Feinstaubalarm oder Dschungelcamp in Sanskrit aber nicht klarkommen. Moderne Redaktionssystem verfügen längst über Funktionstasten. So sind die Sätze "Neue Vorwürfe gegen Bundespräsident Wulff" oder "Um wulff wird es einsam", "SPD verlangt mit Nachdruck den Rücktritt Wulffs" sowie "Wulff sichert absolute Transparenz zu" auf der Funktionstaste F 00 hinterlegt.



   Die Taste F 5 wiederum ist für die Finanzkrise reserviert und versammelt Schlagzeilen wie "Merkel und Sarkozy planen Krisengipfel", die rasch mit dem Halbsatz "wegen der Unruhe an den Märkten" angereichert werden können. Die Überschrift "Griechischer Schuldenschnitt rückt näher" findet sich auf der Tastenkombination "Dorisch-Ionisch-Alt-Entfernen", während dioe Schlagzeilen "Micaela: Jetzt redet ihre Mutter" oder "Micaela: Die Dschungelschlampe im Krabbelinferno" über eine Tastenkombination abrufbar sind, die wir aus Gründen des Kinderschutzes hier nicht bekanntgeben dürfen.

   Nur mit dieser hoch entwickelten Technologie ist es möglich, faktensichere und linguistisch ausgefeilte Kolumnen wie diese in kaum fünf Minuten zu verfassen. Damit ist endlich jener Zustand eingetreten, des es den Redakteuren ermöglicht, sich ihren eigentlichen Aufgaben zu zuzuwenden: Ihre Arbeitsplätze mit einem feuchten Lappen zu reinigen, die Kinder pünktlich in die Schule zu bringen, und mit Ihnen, liebe Leser, zu plaudern - was wir hiermit tun, während sich diese Kolumne automatisch fertig schreibt.

   Und tatsächlich, dieses hintergründig-analytische, dabei in allen Belangen der klassischen Story genügende Stück ist so gut wie fertig. Hören wir mal rein: "Unterdessen wächst der Druck auf das Bikini-Oberteil von Micaela Merkel, die sich mit ihrem griechischem Amtskollegen zu einem packenden Pokalfinale in einem vor der Küste Bayerns gesunkenen Klassenteiler heftige Kritik des deutshen Bauernverbands erwehren muss, zugleich aber betont, dass der Einsatz in Afghanistan weit über die Grenzen der Region hinaus eine schwierige Hilfe beim Weg der Geburtenquote in die Demokratie darstellt und die Geduld mit den Schuldensündern auf den deutschen Fernverkehrsstrassen zu Ende ist. Jedenfalls darf es ein blosses Weiter-so nicht geben! Und dies alles im Zusammenspiel jener politischen Kräfte, die sich zuletzt auseinandergelebt, ja regelrecht die Luft zum Atmen genommen haben und nach sieben wundervollen Ehejahren nun getrennte Wege gehen."



   So, das soll jetzt aber reichen. Die Spalte ist auch voll. Wo war noch mal die Stopp-Taste?
 

 

Zurück