
Nur
noch ein paar Millionen Mal zappen, liebe Fernseher, dann ist
es so weit. Dann wird ein Gerät, das alle Erfindungen der vergangenen
5000 Jahre in den Schatten stellt, ausgemustert. Oder sagen
wir, zu Grabe getragen.
Es ist schön,
einen Schlagbohrer, einen Carport oder einen begehbaren Kleiderschrank
zu besitzen. Aber was ist das im Vergleich zu einer Fernbedienung,
deren Tage, wie diese Woche auf der Elektronikmesse CEC in Las
Vegas bekannt wurde, gezählt sind.
Tod
und Fernbedienung, Theatergänger wissen es längst, liegen nah
beieinander. Der bayerische Dramatiker Franz Xaver Kroetz liess
in seinem 1985 uraufgeführten Fragment "Bauern sterben"
eine Grossmutter im Fernsehsessel erkalten. In der leichenstarren
Hand: Die Fernbedienung. Der Vater will ihr das Ding entreissen,
und der Sohn brüllt:" Laßts ihra hoid die Fernbedienung,
wos ihre Freid gwen is, laßdses ihra midnemma ins Baradis."
Die
Fernbedienung war immer mehr als ein Apparat zum Wechseln der
Kanäle und zum Regeln der Lautstärke. Wer die Fernbedienung
an seiner Seite wusste, hatte die Lufthoheit im Wohnzimmer.
Er bestimmte, was lief.
Im Vergleich
zu ihrem Vorläufer, dem Pantoffel, war die Fernbedienung ein
Quantensprung. Der Hausschuh taugte weniger zum Um- als zum
Abschalten. Ein durchs Wohnzimmer fliegender Hausschuh war ein
Zeichen des Protests, lange bevor in Kairo oder auf dem Stuttgarter
Schlossplatz.
Immer mehr Menschen in
Deutschland und auf der Welt sagen: Wir wollen nicht nur alle
paar Jahre über unsere Zukunft abstimmen. Wir wollen ständig
teilhaben. Genau das haben viele von uns jahrzehntelang getan,
oft unuzählige Male an einem Abend. Hinterher sanken sie erschöpft,
manchmal frustriert ins Bett. Sie konnten sich sicher sein,
alles herausgeholt zu haben aus der Kiste.
Kaum
etwas haben die Fernsehgewaltigen der Öffentlich-Rechtlichen
und der Privaten so gefürchtet, wie die unscheinbare Tastatur.
Mit ihr wurde der Kanalwechsel zum Kinderspiel. Wenn das TV-Programm
heute so ist, haben wir das vor allem der Fernbedienung zu verdanken.
Nun
aber hören wir aus Las Vegas, dass es dem Ende zugeht. Die Totengräber
der TV-Bedienung heissen: Gesten- und Sprachsteuerung. Die Gestensteuerung
läuft so: Man steht vor der Glotze und rudert wie ein Einweiser
auf dem Flugfeld, der einem Jumbo beim Einparken hilft, mit
den Armen. Bei der Sprachsteuerung fragt man sich: Warum soll
etwas, das beim Hund und Partner nicht geklappt hat, beim Fernseher
funktionieren?
Was uns als Fortschritt
verkauft wird, ist in Wirklichkeit ein Rückschritt. Man stell
sich nur mal vor: Die Kinder sind im Bett, und aus dem Wohnzimmer
hören sie: "Jetzt bitte den Pornokanal!"
Dem
Vater in "Bauern sterben" gelingt es am Ende der Szene,
der Leiche die Fernbedienung zu entreissen. Nun soll die Fernbedienung
der Grossmutter nachfolgen und den Weg alles Irdischen gehen.
Im Paradies kann sie abschalten vom Umschalten.
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