
1 ___ Poesie Baumärkte sind Refugien für verkannte
lyrische Naturen, deren geheimnisvolle Sprache draussen in der
normalen Welt keine Anerkennung findet. Wohlklingende Wörter
wie Druckluftnagler, Brauchwasserzirkulationspumpe oder auch
Flachdübelfräse schreien geradezu nach einem fachmännischen
Einbau in ein Sonett.
2 ___ Seniorenheim Frühnachmittags sieht man in den Baumärktgängen
Rentner in Trainingsanzügen ziellos umherstreunen. Sie kaufen
nichts, stören aber nicht weiter. Sie werden von ihren Angehörigen
dort ausgesetzt, die sich mal ein bisschen Ruhe gönnen. Abends
wird Opa wieder abgeholt. Treffpunkt ist das Stehcafé im Eingangsbereich.
Gemütlich.
3 ___ Partnerbörse Neben verwirrten Senioren rennen einem
auch immer wieder kopflose attraktive weibliche Singles (Studentinnen,
Frischgeschiedene, alleinerziehende Mütter, ...) über den Weg,
die sich in einer Umbruchphase befinden und aus unerfindlichen
Gründen ohen männliche Assistenz ihre vier Wände verschönern
wollen. Da das Personal ausgedünnt wurde und der Infostand stets
verwaist ist, schlägt nun die Stunde des Baumarktgigolos, der
genau weiss, wo es durchsichtige Duschvorhänge gibt und wofür
eine Klebepistole eigentlich da ist ...
4 ___ Parkplätze Vor dem Baumarkt findet man immer einen
kostenlosen Parkplatz. Immer. Ein selig machener Ort für Männer,
die widerwillig Parkgebühren in der Innenstadt zahlen und deswegen
regelmässig mit den Ehefrauen streiten, die sie der Knausrigkeit
bezichtigen (womit diese recht haben).
5 ___ Therapie Es gibt Leute, die wollen, ja müssen aus
unerfindlichen gründen andauernd auf sich aufmerksam machen.
Sie können Amok laufen oder auf Facebook Langeweile verbreiten.
Aber nein, sie kaufen sich lieber im Baumarkt ohrenbetäubende
Psycho-Geräte (Stichwort Laubbläser)), mit denen sie allen zeigen,
dass sie noch am Leben sind. Das ist billiger als eine Therapie.
6 ___ Konsum In Baumärkten findet sich alles, was das
Konsumentenherz begehrt. Besonders auf den letzten Metern vor
den Kassen reihen sich Dübelkästen und Heckenscheren an Freizeitsocken,
Grillkohle und Schokoladenhasen. Dabei handelt es sich selbstverständlich
um tolle Angebote, die völlig sinnfrei und minderwertig sind.
Trotzdem kauft man wie wild ein. Niemand weiss, warum.
7 ___ Ostalgie Die schäbigeren, in Schnellbauweise errichteten
Baumärkte erinnern Leute aus dem Osten an das realsozialistische
Plattenbau-Kaufhaus, wo wegen des grellen Neonlichts alle gleich
ausgemergelt aussahen. Hier gibt es keine Edelabteilung mit
teuren marokkanischen Fliesen oder Bidets von Phillipe Starck,
sondern nur ein tröstliches Einerlei für das kleine, selbst
renovierte Glück in der Vorstadt. Wenn überhaupt, dann wird
hier das Ideal von der klassenlosen Gesellschaft weitergeträumt.
8 ___ Wissen ist Macht Baumärkte sind Bildungsanstalten, Tempel
des maskulinen Wissens. Auf den Internetseiten finden sich Bastelviedeos
zum Herunterladen, während in den Märkten regelmässig Kurse
von "Profis" angeboten werden zu aufregenden Themen
wie "Die richtige Pumpe für mein Aquarium - worauf man
achten muss" oder auch "Machen SIe aus Ihrem Bad eine
Wohlfühloase!". Wozu noch einen Roman lesen?
9 ___ Kulinarik Vor den meisten Baumärkten steht ein Brathendlstand.
Die Hähnchen sind von zweifelhafter Herkunft, aber egal. Nach
jedem mehrstündigen Aufenthalt in der sägemehltrockenen Luft
schmeckt so eine angekohlte Keule vorzüglich.
10 ___ Das Vater-Sohn-Ding Es gibt Augenblicke im Leben, da muss
ein Vater handeln. Dann nämlich, wenn die Frau den Sohn zum
Balettunterricht anmelden will. Also nimmt der Vater den Jungen
in den Baumarkt mit, kauft ihm eine Bohrmaschine (mit Schlagbohrer)
und macht ihn anschliessend in der Garage vertraut mit Staub,
Bier und Schweiss.
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