Dinge, so oder so

 

Die Dinge des Baumarkts (07. Januar 2012)
 
   
Das Leben ist eine Baustelle
 




1 ___ Poesie
Baumärkte sind Refugien für verkannte lyrische Naturen, deren geheimnisvolle Sprache draussen in der normalen Welt keine Anerkennung findet. Wohlklingende Wörter wie Druckluftnagler, Brauchwasserzirkulationspumpe oder auch Flachdübelfräse schreien geradezu nach einem fachmännischen Einbau in ein Sonett.

2 ___ Seniorenheim
Frühnachmittags sieht man in den Baumärktgängen Rentner in Trainingsanzügen ziellos umherstreunen. Sie kaufen nichts, stören aber nicht weiter. Sie werden von ihren Angehörigen dort ausgesetzt, die sich mal ein bisschen Ruhe gönnen. Abends wird Opa wieder abgeholt. Treffpunkt ist das Stehcafé im Eingangsbereich. Gemütlich.

3 ___ Partnerbörse
Neben verwirrten Senioren rennen einem auch immer wieder kopflose attraktive weibliche Singles (Studentinnen, Frischgeschiedene, alleinerziehende Mütter, ...) über den Weg, die sich in einer Umbruchphase befinden und aus unerfindlichen Gründen ohen männliche Assistenz ihre vier Wände verschönern wollen. Da das Personal ausgedünnt wurde und der Infostand stets verwaist ist, schlägt nun die Stunde des Baumarktgigolos, der genau weiss, wo es durchsichtige Duschvorhänge gibt und wofür eine Klebepistole eigentlich da ist ...

4 ___ Parkplätze
Vor dem Baumarkt findet man immer einen kostenlosen Parkplatz. Immer. Ein selig machener Ort für Männer, die widerwillig Parkgebühren in der Innenstadt zahlen und deswegen regelmässig mit den Ehefrauen streiten, die sie der Knausrigkeit bezichtigen (womit diese recht haben).

5 ___ Therapie
Es gibt Leute, die wollen, ja müssen aus unerfindlichen gründen andauernd auf sich aufmerksam machen. Sie können Amok laufen oder auf Facebook Langeweile verbreiten. Aber nein, sie kaufen sich lieber im Baumarkt ohrenbetäubende Psycho-Geräte (Stichwort Laubbläser)), mit denen sie allen zeigen, dass sie noch am Leben sind. Das ist billiger als eine Therapie.

6 ___ Konsum
In Baumärkten findet sich alles, was das Konsumentenherz begehrt. Besonders auf den letzten Metern vor den Kassen reihen sich Dübelkästen und Heckenscheren an Freizeitsocken, Grillkohle und Schokoladenhasen. Dabei handelt es sich selbstverständlich um tolle Angebote, die völlig sinnfrei und minderwertig sind. Trotzdem kauft man wie wild ein. Niemand weiss, warum.

7 ___ Ostalgie
Die schäbigeren, in Schnellbauweise errichteten Baumärkte erinnern Leute aus dem Osten an das realsozialistische Plattenbau-Kaufhaus, wo wegen des grellen Neonlichts alle gleich ausgemergelt aussahen. Hier gibt es keine Edelabteilung mit teuren marokkanischen Fliesen oder Bidets von Phillipe Starck, sondern nur ein tröstliches Einerlei für das kleine, selbst renovierte Glück in der Vorstadt. Wenn überhaupt, dann wird hier das Ideal von der klassenlosen Gesellschaft weitergeträumt.

8 ___ Wissen ist Macht
Baumärkte sind Bildungsanstalten, Tempel des maskulinen Wissens. Auf den Internetseiten finden sich Bastelviedeos zum Herunterladen, während in den Märkten regelmässig Kurse von "Profis" angeboten werden zu aufregenden Themen wie "Die richtige Pumpe für mein Aquarium - worauf man achten muss" oder auch "Machen SIe aus Ihrem Bad eine Wohlfühloase!". Wozu noch einen Roman lesen?

9 ___ Kulinarik
Vor den meisten Baumärkten steht ein Brathendlstand. Die Hähnchen sind von zweifelhafter Herkunft, aber egal. Nach jedem mehrstündigen Aufenthalt in der sägemehltrockenen Luft schmeckt so eine angekohlte Keule vorzüglich.

10 ___ Das Vater-Sohn-Ding
Es gibt Augenblicke im Leben, da muss ein Vater handeln. Dann nämlich, wenn die Frau den Sohn zum Balettunterricht anmelden will. Also nimmt der Vater den Jungen in den Baumarkt mit, kauft ihm eine Bohrmaschine (mit Schlagbohrer) und macht ihn anschliessend in der Garage vertraut mit Staub, Bier und Schweiss.
 

 

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