Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (04. Dezember 2011)
 
   Die schönste Zeit des Jahres
 

   Advent: Das herrliche Gefühl, wenn der vierte Glühwein im Magen im Magen eine Bratwurst ertränkt, wenn im Gewürznebel des Weihnachtsmarkt ein Elch sein elektrisches Geweih einschaltet, nach dem fünften Glühwein himmelaufwärts fährt und alle Sorgen mit sich nimmt. Man wacht auf, siehr über sich eine zärtliche Sanitäterin, die leise "Tochter Zion freue dich" singt.

   Allerorten lassen sich die Menschen von der schönsten Zeit des Jahres in den Bann ziehen. Ins Kanzleramt zu Berlin tragen berittene Boten Gewürze, Golddukaten und Kredithebel aus Elfenbein. Die Kanzlerin schmückt den Weihnachtsbaum persönlich. An jeden Zweig baumelt ein entmachteter Regierungschef, blinzelt lustig und freut sich, im Warmen zu sein. In Italien backt jede Mama die leckeren Papardelle, jene aus Zimt und Anis hergestellte Papstmützen, die mit einem Fusstritt eingedellt werden. In Griechenland trennt der Hausherr mit einem scharfen Schuldenschnitt das Fett von der gebratenen Lammschulter und schafft es ins Ausland. Dann werden die Schulden des vergangenen Jahres verbrannt - da die Feuerwehr streikt, spiegeln sich die Flammen noch bis Ostern in der Ägäis.



   Die Österreicher vertreiben sich die Adventszeit mit dem sogenannten Golatschn, bei dem für einen Abend die Welt kopfsteht. Kabarettisten verkleiden sich als Politiker, und Staatsbeamte laden alle jene zum Essen ein, von denen sie im vergangenen Jahr die dicksten Umschläge bekommen haben. Dann strömt alles ins Freie und guckt den zusammenkrachenden Banken zu. Weill alle ihre Kleider und die Überzeugungen tauschen, weiss bald niemand mehr, in welchem Bezirk der Weihnachtsmann wohnt.

   Verborgen blieben bisher die Festbräuche unserer Rechtsextremisten, die sich in ihrem Habitat aus verfallenen Plattenbauten, Opel-Werkstätten und Bierhallen absonderten. Dank der akribischen Ermittlungsarbeit staatlicher Aufklärer wissen wir jetzt mehr. Zum Fest wird eine Nordmanntanne mit eisernen Kreuzen geschmückt, der Ortsgruppenleiter tritt als Nikolaus auf und erklärt die totale Besinnlichkeit, womöglich totaler und radikaler, als es sich alle vorstellen können. Auf den Gabentisch stehen Modellpanzer der Wehrmacht und ein Jahresabo für den "Landser". Getrunken wird Glühwein aus Mecklenburger Lagen ohne dieses Kardamon.

   Feiner geht es bei der Adventsfeier des FC Bayern zu, wo der Präsident erst einige dieser fanatisierten Ultras durch seine vergoldete Wurstmaschine dreht. Dann bekommt jeder Spieler eine Saffianlederhose, ein Etui für seine Spielerfrau und einen Porsche mit Abreisskarte für zehn Polizistenbeleidigungen.

   Schwül mag es dagegen der unter dem Kürzel DSK bekanntgewordene Politiker. In seinem 4500-Quadratmeter-Loft in bevorzugter Pariser Lage brennen die Kerzen lichterloh. Lieferanten laden Geschenkpakete ab, aus denen leises Gekicher zu hören ist.

   Diese kleine Tour d'Horizon soll jetzt aber niemand einschüchtern. Auch in einer Zweizimmerwohnung lässt es sich besinnlich feiern. Holen Sie sich einfach einen Karpfen von der Strasse, und trinken Sie ein Glas Glühwein mit ihm. Später essen Sie ihn einfach auf.
 

 

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