Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (20. November 2011)
 
   Ein Schnitzel für den Spitzel
 

   Bevor Sie diese Kolumne lesen, nehmen Sie bitte den Rest der Zeitung und basteln sich daraus einen Hut. Es muss ein grosser Hut werden, da wir uns heute mit Ereignissen beschäftigen, die kaum unter einen Hut passen.

   Wenn der Kerzenschein nicht trügt, dann wird es auf unseren Weihnachtsmärkten in diesem Jahr ruhiger sein, als uns in den Wochen vor der Stillen Nacht lieb sein kann. Budenbesitzer fürchten, dass nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs die Gebühren für das Abspielen von Weihnachtsliedern in astronomische Höhen steigen, höher als der Stern von Bethlehem. Deshalb sei das Einzige, was man heuer hören werde, das süsse Klingen der Kassen.

   Doch auch daran gibt es Zweifel. Eine Strassenumfrage von unserer Redaktion unter zwei Passanten auf dem Stuttgarter Schlossplatz ergab, dass bei der Mehrheit potenzieller Weihnachtsmarktbesucher erst durch penetrantes Gedudel das Verlangen nach Glühwein geweckt wird. Ein Gewährsmann mit roter Nase und Vollbart meinte, er trinke sich "das Gedöns immer schön".

   Ein Weihnachtsmarkt ohne Weihnachtslieder ist wie ein Verfassungsschutz ohne V-Mann. Sie meinen, der Vergleich hinke, er sei an den Barthaaren vom Nikolaus herbeigezogen? Warten Sie's ab. Je lauter ein V-Mann singt, desto besser wird die Stimmung bei der Behörde und je mehr wird dort dem Alkohol zugesprochen. Der EInzige, der nüchtern bleibt, ist der V-Mann, weil der zuvor seinen gerechten Lohn erhalten hat: Ein Schnitzel fürSpitzel.



   Eigentlich wollte ich an dieser Stelle ein Loblied auf alle singenden V-Leute anstimmen. Ein Kollege aus der Politischen Redaktion hat davon abgeraten. Man wisse bei den Kameraden nie genau. woran man sei. Ihm seien aus dem Osten der Republik Abhörprotokolle zugespielt worden, die die vorweihnachtliche Stimmung im rechtsradikalen Milieu dokumentierten. Auffallend oft sei dort zu hören: "Nu, biste eiun V-Mann? Oder ein normaler Nazi?"

   Selbst erfahrene Verfassungsschützer werden von Selbstzweifeln zermürbt. Wie war das noch mal? Sollten sie die Verfassung schützen? Oder ihre Spitzel vor der Verfassung?

   Nicht in jedem Fall, behauptet der Bundesverband wohlwollender Therapeuten, sei bei jungen Menschen, die in den braunen Dunstkreis geraten seien, Hopfen und Malz verloren. Manche müssten nur auf die Couch: "Na, wo drückt der Springerstiefel?"

   Unsere Redaktion hat die Erkenntnisse der vergangenen Woche zum Anlass genommen, um die Beziehung zu ihren V-Leuten aufzufrischen. Wir wollten das Feld nicht den geheimdienstlichen Geheimniskrämern überlassen. Unsere V-Leute sind politisch unverdächtig. Wir setzen sie, der Namen lässt erahnen, vorwiegend im Vermischten ein.

   Bei unserer Strassenumfrage haben wir uns nichtt nur nach der Befindlichkeit bezüglich der Weihnachtsmarktklänge erkundigt. Wir wollten auch wissen, woran man einen V-Mann erkennt. Am Auto, meinte eine Passantin, ein V-Mann fahre für gewöhnlich einen VW. Der Mann mit der roten Nase und dem Bart sagte: "An seiner Vau."
 

 

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