Es gab in Deutschland eine
Zeit, da wusste jedes Kleinkind, wie viele Gulaschkanonen eine
mechanisierte Division hat, wie viele Quadratkilometer mit einer
Streubombe verwüstet werden können und wie viele Schuss pro
Minute ein luftgekühltes MG raushaut. Junge Männer schlugen
in den Kasernen zwar keine Gegner, aber jede Menge Zeit tot
und wurden in allen Teilbereichen der Alkoholvernichtung ausgebildet.
Diese Tradition ist mit der grössten Wehrreform seit der Auflösung
der 6. Armee in Stalingrad abgerissen. Generäle strecken ihre
Nase aus den Kasernentoren und stellen fest, dass da draussen
Gebäude ohne Stacheldraht gibt und die Wachhabenden Hausmeister
heissen. Kaum dass sie sich umgedreht haben, sind sie pensioniert
und ihre Armeen auf Schulklassengrösse geschrumpft. Kanonen
werden zu Abwasserrohren, Stahlhelme zu Woks umgearbeitet.

Der
Schrumpfungsprozess folgt einer ausgefeilten Strategie: Kleinstposten
sollen die unbeweglichen Grossverbände ersetzen und werden wie
Pickel über das Anlitz des Landes verteilt. Unsere Wehrbereichsredaktion
Süd hatte die Gelegenheit, die Kleinkampfgruppe Oswald (nach
einem legendären Kammerpanzerjäger unter Friedrich dem Grossen)
zu besuchen. Dieser Ein-Mann-Posten wurde aus der 4. Reichskavallerie-Brigade,
der Aufklärungskompanie Kolle, dem Potsdamer Brieftaubengeschwader
und der Preussischen Kadettenzuchtanlage formiert. Er befindet
sich in einem Ort, der ähnlich wie Oberhatzenlohe und aus Geheimhaltungsgründen
nicht genannt werden darf. Er liegt im unruhigen Grenzgebiet
zwischen Thüringen und Hessen. Dort meldet sich der Schütze
Harald P. jeden Morgen bei sich selbst zum Dienst. Die Stimmung
ist schlecht. Der letzte Versorgungshubschrauber kam vor einer
Woche und warf ein paar Bundesdrucksachen, Grüsse von den Lieben,
Kondome und Eierhandgranaten ab. Die Ankündigung des Verteidigungsministers,
er wolle Göhring heissen, wenn es ihm nicht gelinge, die Truppe
aus der Luft zu versorgen, klingt da wie Hohn.
Harald
P. kabelt seinen allmorgendlichen Lagebericht an das Hauptquartier.
Der Inhalt ist düster: Die Bevölkerung steht den einsamen Aussenposten
feindlich gegenüber. Seit die Posten nur noch mit je einem Soldaten
besetzt sind, verkaufen die die örtlichen Bäcker kaum noch Mohnstrudel
und Schokohörnchen, der Bierumsatz der Gastronomie bröckelt.
Die Truppe igelt sich ein und reagiert zunehmend nervös. Berichte
über die kontrollierte Sprengung herumstehender Einkaufstüten
mehren sich. Nur abends, wenn die Leuchtraketen aufsteigen und
aus der Dunkelheit die Aura der Todesgefahr herüberweht, stellt
sich noch die alte Landserromantik ein. Aber wie lange noch?

In
Berlin arbeitet man an Plänen, den Krieg nicht mehr imi Felde,
sondern nur noch im Internet auszutragen. Harald P. dagegen
träumt von Sturmangriffen, Panzerkeilen und Kesselschlachten.
Es sind die Schlachten von gestern. Bald wird aus seinem Aussenposten
eine Aldi-Filiale, während er an den Händen eines Sozialarbeiters
die ersten Schritte ins Zivilleben machen wird. Es droht ein
fürchterlicher Frieden.
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