Diese Woche sind
die EU-Staats- und Regierungschefs einen hebeln gegangen. In
einer Nacht- und Hebel-Aktion bliesen sie den Euro-Rettungsschirm
um das Vierfache auf, ohne auch nur einen Cent zusätzlich an
Steuergeld auszugeben. Eine Billion Euro sind jetzt im Feuer,
und alle tanzen drum rum. Hoch lebe der Hebel! Wie sie sich
danach auf die Schultern klopften! Sogar die SPD fand für die
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobende Worte. Kein Wunder,
heisst doch einer der Mitbegründer der stolzen Partei August
Hebel - oder so ähnlich.

Fachleute
haben zwar erhebliche Bedenken gegen die wundersame Geldvermehrung.
Unter anderem fragen sie, warum die Politik nun einen dieser
doch eigentlich verpönten Finanztricks anwenden, mit denen die
Banken früher viel zu grosse Räder drehten. Ist das nicht arg
riskant? Wird da nicht auf dem ohnehin schon gramgebeugten Rücken
des Steuerzahlers herumgehebelt? Eine derartige Kritik mag zutreffen,
ist aber letztlich für die Beteiligten unerhebelich. Die Politik
versucht nun einfach in ihrer Verzweiflung, die Finanzmärkte
mit deren eigenen Waffen zu schlagen. Wollen wir mal sehen,
wer am längeren Hebel sitzt.
Es liegt
in der Natur des Hebels, dass seine Wirkungsweise für Laien
ähnlich schwer verständlich ist wie so manche Worte des grossen
Philosophen Georg Wilhelm Hebel (1770-1831), der vielleicht
auch Hegel hiess, jedenfalls aber mal zu Protokoll gab: "Es
ist von dem Absoluten zu sagen, dass es wesentlich Resultat,
dass es erst am Ende das ist, was es in Wahrheit ist; und hierdrin
eben besteht seine Natur, Wirkliches, Subjekt oder Sichselbstwerden
zu sein." Tja, klingt doch ein bisschen nach einer parlamentarischen
Beschlussvorlage zur Euro-Rettung, wenn nicht gar nach einer
dieser seltsamen Merkel'schen Regierungserklärungen.
Man
muss keine Physikerin sein wie Frau Merkel, um über Hebel mitreden
zu dürfen. Jeder, der schon eine Bierflasche mit dem Feuerzeug
aufgemacht hat, weiss, worum es geht. Wir stellen uns einfach
eine Wippe auf einem Kinderspielplatz vor. Auf der einen Seite
sitzt - sagen wir mal - ein dicker Grieche, auf der anderen
Seite sitzt der kleine, zierliche deutsche Michel. Damit die
beiden trotz des Gewichtsunterschieds miteinander wippen können,
muss der Grieche möglichst weit in die Mitte rutschen, und der
deutsche Michel muss sich sehr weit zurücklehnen - so weit,
dass er beinahe herunterfällt. Das ist natürlich gefährlich,
kann aber eine Zeit lang gutgehen.

So
ein Hebel entfaltet unheimliche Kraft, man kann damit sogar
die Zahl der EU-Gipfel verdoppeln. Zweimal innerhalb weniger
Tage mussten sich die Euro-Retter in Brüssel treffen und zäh
verhandeln. Beim Hebeln gilt halt das goldene Gesetz der Mechanik:
Was man an Kraft spart, muss man an Weg zusetzen. Und es entsteht
immer Reibung, so dass stets ein bisschen Kraft verloren geht.
Wir
könnten jetzt noch darüber philosophieren, ob all die krampfhaften
Versuche, den Euro-Raum zusammenzuhalten, nicht im Grunde ein
gigantisches Schneeballsystem darstellen, bei dem die Jüngeren
die Gekniffenen sein werden. Aber das hebeln wir uns für den
nächsten Rettungsgipfel auf.
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